nd-aktuell.de / 15.08.2018 / Politik / Seite 7

Rechtskurs unter neuer Flagge

Der Rechtsextremist Jens Wilke mischt jetzt bei den »Republikanern« mit

Reimar Paul

Der Rechtsextremist Jens Wilke segelt unter neuer Flagge, bleibt aber stramm auf Kurs. Seit 2016 trat der Versicherungsmakler aus dem Landkreis Göttingen zunächst als Anführer des rechtsextremen »Freundeskreises Thüringen/Niedersachsen« und seiner Nachfolgeorganisation »Volksbewegung Niedersachsen« in Erscheinung. Im zurück liegenden Kommunalwahlkampf kandidierte er für die NPD. Jetzt hat sich der 41-Jährige der rechten Splitterpartei »Die Republikaner« angeschlossen, für diese bewirbt er sich auch um einen Sitz im Europäischen Parlament.

Neben einer täglich mit wüsten Beschimpfungen von Flüchtlingen und Linken bestückten Facebook-Seite setzt Wilke auf einen »Straßenwahlkampf«. Zum Auftakt wollen die »Republikaner« an diesem Samstag durch den Göttinger Ortsteil Grone marschieren, in dem viele Migranten und andere sozial schlecht gestellte Familien leben. »Unsere Route wird uns durch das ehemals schöne Grone-Süd führen«, schreiben die »Republikaner«: »Einen Stadtteil, der bereits seit Jahren ein Paradebeispiel geisteskranker antideutscher Politik ist.«

Ohnehin haben es Wilke und seine Kumpanen nicht so mit gediegener Wortwahl. Wilke selbst ist mehrfach vorbestraft. Unter anderem soll er eine Frau als »Schlampe«, »Fotze« und »Drecksanarchistin« sowie eine Mitarbeiterin der Göttinger Kreisverwaltung als »antideutsches Geschmeiß« beschimpft haben. Wegen des Hortens von Waffen wurden Wilke und zwei Gesinnungsfreunde zudem wegen Bildung einer bewaffneten Gruppe angeklagt. 50 bis 100 Teilnehmer hat Wilke für den Aufmarsch am Samstag angekündigt. Im Internet bewerben bekannte Neonazis die Demonstration in der »roten Frontstadt«. Der Rechtsextremist David Köckert - auch er wechselte kürzlich von der NPD zu den »Republikanern« - will mit dem »Thügida Mobil«, dem großen Lautsprecherwagen der rassistischen und vom Verfassungsschutz beobachteten »Volksbewegung Thügida«, anreisen.

Der Demo hat Wilke das Motto »Diese EU ist nicht unser Europa« verpasst. Im Rahmen der vierstündigen Veranstaltung sind mehrere Kundgebungen geplant. Als Redner sind unter anderem der Ex-Funktionär der »Jungen Nationaldemokraten«, Christian Kaiser, der Ex-AfD-Mann Dirk Jährling und Elke Metzner vom Berliner »Pegida«-Ableger »Bärgida« angekündigt. Eine deutliche Mehrheit im Göttinger Stadtrat hat sich in einer Erklärung gegen den Aufmarsch der Rechtsextremisten gewandt. »Das erste Mal seit dem Ende der Nazi-Diktatur 1945 wollen Neonazis und Republikaner am 18. August im Ortsteil Grone für ihre menschenverachtende Weltanschauung werben«, heißt es in einer Resolution, die am Freitag vom Kommunalparlament verabschiedet werden soll. Die Stadtverwaltung wird aufgefordert, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die Demonstration zu verhindern. Der Text wird gemeinsam von SPD, Grünen, LINKE sowie weiteren Parteien und Ratsherren eingebracht.

Ausreichende Gründe für ein Verbot der rechten Demo sieht die Verwaltung jedoch nicht. »Die Hürden für ein Demonstrationsverbot liegen sehr hoch«, sagt Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD). Grundsätzlich würden Kundgebungen nur bestätigt, nur in besonderen Fällen werde geprüft, ob eine Demo untersagt werden könne. Sicherheitsaspekte stünden dabei im Fokus der Bewertung. Angesichts jüngster Gerichtsurteile seien die Aussichten, ein Verbot rechtssicher durchzusetzen, allerdings äußerst gering.

Die Göttinger Linke ist von der Argumentation Köhlers nicht überzeugt. Wilke habe sich in der Vergangenheit als »unzuverlässiger Anmelder erwiesen«, indem er eine für den 25. April angemeldete Demonstration erst am Vortag ohne Begründung absagte: »Woher soll man bei solchem Gebaren wissen, dass es sich nicht auch dieses Mal wieder um ein Possenspiel Herrn Wilkes handelt?«

Unterdessen rufen politische Organisationen, Gewerkschaften und Kirchen zum Protest gegen die »Republikaner«. Deren Demo sei »eine offene Provokation des ganzen Stadtteils, in dem Menschen unterschiedlichster Herkunft gemeinsam leben«, erklärte etwa die »Groner Bürgerinitiative Antifaschismus«. Geplant sind Kundgebungen an der Marschstrecke der Rechten und ein Straßenfest