nd-aktuell.de / 16.08.2018 / Politik / Seite 8

Brückensanierung - eine Arbeit gegen die Zeit

In Deutschland gibt es fast 40 000 Straßenüberführungen. Viele sind in keinem guten Zustand

Ulrike von Leszczynski und Gisela Gross

Wie ist der Zustand von Brücken in Deutschland?

Auf deutschen Bundesstraßen und Autobahnen gibt es nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen knapp 40 000 Brücken. An Autobahnen gilt ihr Zustand nur bei rund zehn Prozent als gut oder sehr gut. Der größte Teil wird mit befriedigend oder noch ausreichend eingestuft. Zwölf Prozent sind offiziell mit »nicht ausreichend« bewertet, zwei Prozent erhielten sogar ein »ungenügend«. Das besage aber nicht, dass die Brücke einsturzgefährdet sei, heißt es vom Bundesverkehrsministerium. Es könne bedeuten, dass beim Brückengeländer Stäbe fehlten oder es Schlaglöcher gebe. »Man arbeitet gegen die Zeit, der Zustand der Brücken wird immer schlechter«, sagte eine Sprecherin des Bauindustrieverbands. Der Sicherheitsstandard in Deutschland sei aber »sehr hoch«.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hält einen Vergleich von deutschen und ausländischen Brücken für unpassend. »Was in Deutschland als marode gilt, ist anderswo in einem guten Zustand eingestuft«, sagte der CSU-Politiker. Unfälle sind aber auch in Deutschland möglich, wie der Teileinsturz einer Autobahnbrücke in Bayern 2016 mit einem Toten zeigte. Die Brücke war ein Neubau und noch nicht in Betrieb.

Gibt es regionale Unterschiede?

Die Landesstraßenbaubehörden sehen beim Zustand der Brücken einen Ost-West-Unterschied. Die meisten Schäden sind im Saarland und in Hamburg bekannt, die wenigsten in Thüringen und Sachsen - Ergebnis des Aufbaus Ost. Laut ADAC gilt das aber nicht für kommunale Brücken. Hier bestehe bundesweit dringend Handlungsbedarf.

Wie gut werden Brücken in Deutschland überwacht?

Laut Bundesverkehrsministerium gibt es alle sechs Jahre eine Hauptprüfung. Alle drei Jahre nach einer Hauptprüfung erfolge eine einfache Prüfung. Besichtigungen fänden im jährlichen, laufende Beobachtungen im halbjährlichen Rhythmus statt. Viele Experten halten das für ausreichend. »Wir haben ein sehr solides System der regelmäßigen Inspektion und Überwachung«, sagt Manfred Tiedemann, Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Prüfingenieure. Dazu gehöre zum Beispiel auch eine Kontrolle von Schweißnähten und Bolzen. »Im Einzelfall wird sofort nachgebessert.«

Was heißt »nachbessern« genau?

Damit können Geschwindigkeitsbegrenzungen, Fahrspureinengungen, Gewichtsbeschränkungen und auch mal vorübergehend eine Stilllegung für Sanierungsmaßnahmen gemeint sein. Eine berüchtigte Konstruktion ist die Rheinbrücke der A1 in Leverkusen - dort gibt es Vollsperrungen. Es geht aber nicht nur um Autobahnen. Laut ADAC sind in Berlin mehr als 70 Brücken in einem derart schlechten Zustand, dass sie dringend saniert oder neu gebaut werden müssten.

Was sind Gründe für die Mängel?

Viele Brücken sind 40 bis 60 Jahre alt, sagt Prüfingenieur Tiedemann. Häufig wurden Spannbetonkonstruktionen gebaut. Mit dem Alter verschlechtert sich das Material. Darüber hinaus hat die Belastung stark zugenommen: Seit 1980 verfünffachte sich allein die Gütertransportleistung auf der Straße. Mit rund 44 Tonnen sind manche Lkw heute doppelt so schwer wie in den 1950er Jahren.

Wie schnell können Mängel behoben werden?

Bei einem geschätzten Sanierungsbedarf von zehn Milliarden Euro stehe derzeit in Deutschland pro Jahr eine Milliarde Euro zur Verfügung, sagte Manfred Curbach, Professor für Massivbau an der TU Dresden, im Deutschlandfunk. »Das heißt, wir werden das mindestens zehn Jahre durchhalten müssen.« Wegen des zunehmenden Schwerlastverkehrs würden neue Brücken belastbarer gebaut - ältere Brücken dahingehend geprüft und gegebenenfalls verstärkt.

Was tut die Politik gegen »Problembrücken«?

Der Bund hat die Investitionen für die Erhaltung der Bundesfernstraßen aufgestockt. Für 2018 stehen 3,9 Milliarden Euro bereit, davon rund 1,4 Milliarden für die Brückenerhaltung. Im zusätzlichen Sonderprogramm Brückenmodernisierung stehen laut Ministerium bis 2022 rund 4,1 Milliarden Euro für Sanierungen mit Baurecht bereit, die teurer als fünf Millionen Euro werden. Von 2021 an übernimmt der Bund die Zuständigkeiten für Autobahnen komplett von den Ländern. Dann sollen Investitionen beschleunigt und überregionale Schwerpunkte gesetzt werden. dpa/nd