Herrlich!

Reinhard Jellen kam über die Beatles zu Marx

  • Christopher Wimmer
  • Lesedauer: 2 Min.

Was haben Aristoteles, Religion, das »Kommunistische Manifest« und Amy Winehouse gemeinsam? Nichts. Nur, dass sie jeweils Thema von Kolumnen von Reinhard Jellen sind, die er für »Telepolis« und »junge welt« geschrieben und die nun als Buch veröffentlicht hat.

Er geht darin hart ins Gericht - mit allem und allen, zum Beispiel mit dem Leben in der bayerischen Landeshauptstadt München. Dort sei es erforderlich, »dämlich« zu sein, ehrgeizig und von einem Minderwertigkeitskomplex befallen, der »sich mit minus eins multipliziert als Eitelkeit reproduzieren lässt«. Jellens Spitzen und Sticheleien sind scharf und erheiternd, allerdings nicht von großem Erkenntnisgewinn.

Ebenso sein Urteil über den Marxismus, der kein »Katechismus«, sondern eine »dialektische Wissenschaft« sei. Sich selbst bezeichnet Jellen als »Stalinist«. Er führt in den Texten marxistische Begrifflichkeiten wie historischer Materialismus oder Verelendung gegen (post)moderne Strömungen des Marxismus sowie die Frankfurter Schule ins Feld.

Originell sind die Passagen, in denen Jellen, der auch als Northern Soul-DJ tätig ist und Ende der 80er das Fanzine »Heart and Soul« gegründet hat, sich mit »Pop« beschäftigt. Was er zu den Mods, den Modernists, zu sagen hat, überzeugt. Sie hingen einer Subkultur an, die vor allem im Großbritannien der 60er stark war. Die Bewegung hatte ihren Ursprung unter jungen britischen Arbeiter*innen. Man versuchte, die eigene Herkunft unwichtig werden zu lassen durch das Tragen von Markenkleidung, durch eine neue Art der Soul-Musik, durch den Konsum von Drogen und das Spiel mit Geschlechterklischees. Männer, die sich schminkten, handelten emanzipatorisch, indem sie die vorherrschende Männlichkeitsvorstellung unterliefen - ebenso wie die Mod-Frauen auf Kleidchenschnickschnack verzichteten und klobige Schuhe trugen.

»Die Beatles sind ein Grund, warum ich Marxist geworden bin«, bekennt Jellen und macht auch damit den emanzipatorischen Charakter von Kunst sichtbar. Den puritanischen Arbeitsethos der Linken lehnt er ab: »Arbeit ist ein Fluch und hält überdies vom Fußballspielen, Soulplatten hören, Goethe lesen, Freundin knutschen sowie vom ernsthaften Arbeiten ab. Lohnarbeit sollte allenfalls noch als Verhütungsmittel Verwendung finden.« Herrlich!

Reinhard Jellen: Pop-Marxismus. Nachrichten aus der Weltgeist-Zentrale. Mangroven-Verlag. 330 S., geb., 20 €.

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