nd-aktuell.de / 20.08.2018 / Berlin / Seite 12

Sorgentelefon soll Senioren Halt bieten

Neue Hotline ist ab Ende September zwischen 8 und 20 Uhr geschaltet, um einsamen Menschen beizustehen

Was tun, wenn einem mit 80 Jahren die Decke auf den Kopf fällt? Die Senioren-Hotline »Silbernetz« will etwas gegen Einsamkeit im Alter unternehmen. Im Herbst baut sie ihren Service nach dem Testlauf an den Weihnachtstagen des vergangenen Jahres aus. Ab dem 24. September sei das Telefon zwischen 8 Uhr morgens und 20 Uhr abends geschaltet, kündigte Initiatorin Elke Schilling an. Silbernetz, das sich vor allem durch Spenden finanziert, will den Dienst erst einmal bis Ende des Jahres anbieten. Die gesammelten Erfahrungen und die Finanzen entschieden dann über die Zukunft, ergänzte Schilling.

Träger von Silbernetz ist der Humanistische Verband Deutschland. Die Hotline versteht sich als Ansprechpartner für isoliert lebende ältere Menschen in Berlin. Sie soll für Senioren da sein, die nicht beim Krisendienst und der Telefonseelsorge anrufen möchten. Denn ihr Problem ist Einsamkeit. »Das ist keine Krise, sondern ein Dauerzustand«, berichtet Schilling. »Die Menschen haben einfach niemanden zum Reden.« Zu 60 Prozent hätten sich in der Testphase Frauen gemeldet, aber auch erstaunlich viele Männer. Die Ältesten waren über 90 Jahre alt, es gab aber auch Anrufer unter 60. Manche Gespräche dauerten über eine Stunde.

Die Idee einer Senioren-Hotline stammt aus Großbritannien und ist dort sehr erfolgreich. »Es geht nicht nur ums Telefonieren«, betonte Schilling. »Wir wollen Anrufer auf Angebote für Senioren in ihrem Kiez aufmerksam machen. Oft kennen sie die gar nicht.« Die Einsamkeit in den eigenen vier Wänden solle durchbrochen werden. Es gehe um persönliche Gespräche, Ermutigung und Unterstützung. Einen »Freundschaftsdienst« soll es auch geben. Dann rufen Silbernetz-Mitarbeiter regelmäßig Senioren an, die sich das wünschen.

Viele ältere Menschen in Großstädten wie Berlin leben allein. Oft haben sie sich das nicht ausgesucht. Kinder sind weit weg, Partner, Freunde, Bekannte und ehemalige Kollegen tot. »Die Einsamkeit macht stumm. Manchmal denke ich, ich habe das Sprechen verlernt«, sagte eine 82-Jährige Anruferin nach Angaben von Silbernetz mal.

Zahlen über das Ausmaß von Einsamkeit im Alter gibt es kaum. Silbernetz schätzt, dass in Deutschland rund acht Millionen Menschen im Alter zwischen 60 und 99 Jahren zumindest zeitweise davon betroffen sind. dpa/nd