nd-aktuell.de / 21.08.2018 / Politik

In Südthüringen hat sich ein »gewisses Ökosystem« für Nazis entwickelt

Innenminister Georg Maier (SPD) über den Umgang mit Rechtsrockkonzerten

Dirk Löhr

Erfurt. Das beschauliche Mattstedt im Weimarer Land erwartet am Wochenende Tausende Neonazis zu einem Rechtsrockkonzert. Da es als politische Versammlung angemeldet wurde, hat ein Verbot kaum Aussicht auf Bestand bei der Prüfung durch ein Gericht, sagte Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er setzt für die Veranstalter auf harte Auflagen. Ihre strikte Durchsetzung soll helfen, den Rechtsrockkonzerten ihre Attraktivität zu nehmen.

Warum dürfen immer wieder Rechtsrockkonzerte mit tausenden Neonazis in Thüringen über die Bühne gehen?

Da ist eine Plage, die nicht nur uns trifft, wenn man zum Beispiel an das Konzert im sächsischen Ostritz denkt. Aber in dem Ausmaß wie hier, immer wieder mit Tausenden Besuchern, ist das Problem in unserem Bundesland besonders groß. Das liegt auch an unserer Lage. Rechtsextreme, selbst wenn sie von weit her kommen - und das trifft auf sehr viele der Konzertbesucher zu - finden wegen seiner zentralen Lage in Deutschland und Europa schnell nach Thüringen.

Die geografische Lage ist das eine, aber hat sich nicht gerade in Südthüringen mit den Jahren eine starke rechte Szene etabliert?

Ein gewisses Ökosystem, in dem sich Rechtsextreme eingerichtet haben, lässt sich nicht bestreiten. Sie verfügen über eigene gastronomische Einrichtungen und haben Zugriff auf Veranstaltungsorte wie eben die Wiese in Themar. Um hier gegenzusteuern, braucht es einen langen Atem. Nicht nur auf Seiten des Staates und der Behörden, hier muss auch mehr zivilgesellschaftliches Engagement wachsen.

Warum werden diese Konzerte nicht verboten?

Weil es rechtlich nicht möglich ist. Diese Konzerte tarnen sich als politische Versammlungen. Die Versammlungsfreiheit ist in Deutschland ein so hohes Gut, dass die Gerichte Verbote in der Regel aufheben. Das ist nicht leicht zu akzeptieren, auch ich habe da dazulernen müssen. Es ist und bleibt perfide, dass die, die sich auf die Versammlungsfreiheit berufen, genau diese als erstes abschaffen würden, bekämen sie die Chance dazu.

Viele Mattstedter sagen, das sind doch Nazis...

... was ja auch stimmt. Aber das reicht nicht, um die Konzerte zu verbieten. Was wir tun können, ist mit Auflagen an die Versammlung und ihrer strikten Durchsetzung Rechtsrockkonzerten ihre Attraktivität zu nehmen. Das tun wir.

Was für Auflagen sind das?

Diese Frage will ich nicht öffentlich beantworten, damit sich die Rechtsextremen nicht darauf einstellen können. Nur so viel: Wir haben noch einige Pfeile im Köcher.

Mit wie vielen Rechtsextremisten rechnen Sie in Mattstedt?

Es werden voraussichtlich wieder mehrere Tausend sein.

Und wie viel Gegendemonstranten werden erwartet? Wie viele Polizisten kommen zum Einsatz?

Zur Anzahl der Beamten möchte ich aus einsatztaktischen Überlegungen nichts sagen. Aber es werden genügend sein. Mehrere Bundesländer habe uns ihre personelle Unterstützung zugesagt. Es sind auch Spezialkräfte eingeplant, die sofort eingreifen, sollten zum Beispiel indizierte Lieder gespielt werden. Was das zivilgesellschaftliche Engagement angeht, hoffe ich, es werden deutlich mehr Gegendemonstranten als zuletzt in Themar. Mattstedt ist nicht so weit von Thüringens großen Städten entfernt. Und auch die Kirche ruft wieder zum friedlichen Protest auf. Dafür bin ich dankbar. epd/nd