nd-aktuell.de / 22.08.2018 / Politik / Seite 5

Säumiges Kirchenasyl?

Prälat Jüsten: Gemeinden reichen Dossiers nicht ein

Berlin. Nach Einschätzung der katholischen Kirche missachtet rund die Hälfte der Gemeinden die für Kirchenasyle vereinbarte Regel zur Übermittlung eines Fall-Dossiers. Aus Gesprächen mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wisse man, dass 2017 entgegen der Übereinkunft zwischen Staat und Kirchen nur in etwa der Hälfte aller Kirchenasylfälle in katholischen, evangelischen und freikirchlichen Gemeinden ein Dossier eingereicht wurde, sagte der Leiter des Berliner Büros der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Prälat Karl Jüsten, der Tageszeitung »Die Welt«. Damit verstießen jene Gemeinden gegen die Verfahrensabsprache, die 2015 zwischen den Kirchen und dem Bundesamt getroffen wurde. Damals wurde festgelegt, dass der Staat das Kirchenasyl hinnimmt und zur Prüfung der jeweiligen Fälle bereit ist, sofern die Gemeinde dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Dossiers zu den Hintergründen der Asylsuchenden übermittelt und einen kirchlichen Ansprechpartner benennt.

Auch aus einer Auswertung des Bundesamtes für Niedersachsen für den Zeitraum von Mai 2016 bis September 2017 gehe hervor, dass nur in rund 54 Prozent der Fälle Dossiers eingereicht wurden, berichtet die Zeitung. Seit 1. August gilt ein Erlass von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), wonach bei Kirchenasylfällen in nicht vereinbarungsgemäß kooperierenden Gemeinden die Frist für den Selbsteintritt Deutschlands bei Dublin-Verfahren von sechs auf 18 Monate erhöht wird. Faktisch bedeutet das für Kirchengemeinden, dass sie, um die Überstellung eines Asylsuchenden in das jeweilige EU-Erstaufnahmeland zu verhindern, das Kirchenasyl für bis zu 18 Monate gewähren müssten. Die Heraufsetzung dieser Frist gilt auch dann, wenn die Gemeinden ein Kirchenasyl nicht innerhalb von drei Tagen nach einer abschlägigen Dossier-Prüfung durch das Bundesamt beenden. Prälat Jüsten forderte die Gemeinden zur vereinbarungsgemäßen Kooperation auf. Das liege nicht zuletzt auch im Interesse der schutzsuchenden Personen.

Mitte Juni befanden sich bundesweit nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge rund 780 Menschen im Kirchenasyl. Dagegen spricht die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche von derzeit 552 aktiven Kirchenasylen mit mindestens 868 Personen, davon etwa 175 Kinder. 512 der Kirchenasyle seien sogenannte Dublin Fälle. epd/nd