Tod in der Schlucht

Wanderer werden in Kalabrien von Wassermassen weggerissen

  • Lena Klimkeit und Laura Krzikalla, Civita
  • Lesedauer: 3 Min.

In einer Schlucht in Süditalien sind Ausflügler von Wassermassen überrascht und zehn von ihnen in den Tod gerissen worden. Am Dienstag, einen Tag nach dem Unglück bei Civita in der Region Kalabrien, gab es nach Angaben von Umweltminister Sergio Costa »zu 99,9 Prozent« keine Vermissten mehr. »Das Wasser hat alles mitgerissen, was es finden konnte, leider auch Menschen«, sagte Domenico Gioia, der für die italienische Vereinigung AIGAE Exkursionen durch Kalabrien führt und sich am Dienstag nahe der Berggemeinde Civita befand.

Die Raganello-Schlucht liegt im malerischen Nationalpark Pollino. Die Felswände ziehen sich bis zu 400 Meter hoch, der Zugang zur Schlucht ist stellenweise einfach und wird nicht kontrolliert. Auch deswegen war zunächst unklar, wie viele Menschen sich zur Zeit der Sturzflut in der Schlucht befanden. 23 Menschen wurden gerettet, elf kamen ins Krankenhaus.

Am Montag sei ein starkes Unwetter über der Region niedergegangen, aber nicht unmittelbar über der Schlucht, so Gioia. Womöglich merkten die Ausflügler nicht, wie viel Regen in den umliegenden Bergen niederging und den »fast trockenen Bach« in einen reißenden Fluss verwandelte. »So eine Situation hatten wir hier seit 40, 50 Jahren nicht mehr.«

Beim Eintreffen der Retter spielten sich dramatische Szenen ab. »Unsere Männer wussten sofort, dass hier etwas Schreckliches passiert ist«, sagte Guido Umile von der Bergrettung dem »Corriere della Sera«. »Die enormen Wassermassen wurden in die Schlucht geleitet und kamen mit vernichtender Kraft. Wir hörten ein Donnern, gleich danach stürzte eine Wassermauer hinunter, die uns wegriss«, so eine Italienerin. »Ich habe es geschafft, (...) mich an einem Baum festzuhalten, aber ich sah Körper, die mit wahnsinniger Gewalt fortgespült wurden.«

»Die Sturzflut von gestern in den Schluchten von Raganello ist leibhaftig ein Tsunami gewesen«, sagte der Vizepräsident der kalabrischen Bergrettung, Giacomo Zanfei. »Das Erste, was man merkt, ist ein Windstoß und sofort danach eine Sturzwelle, die dich fortreißt«, erklärte Pierpaolo Pasqua, ebenfalls von der Bergrettung, der »La Stampa«.

Die Schlucht teilt sich in verschiedene Abschnitte auf. Der letzte nahe Civita sei der einfachste, so Pasqua. »Mit Guide, Umsicht und richtigen Klamotten kann ihn jeder schaffen.« Doch sei Vorsicht geboten. »Schon ein kleiner Stein, der sich in der Höhe löst, kann tödlich sein.« Angesichts der Risiken habe Vorbereitung höchste Priorität, sagte Giovanna Petrone, die Touren in der anliegenden Region Basilicata führt. Es müsse immer auf das Wetter geachtet werden. »Wenn wir merken, dass die Situation kritisch sein könnte, gehen wir nicht los.«

Einige Opfer waren in zwei geführten Gruppen unterwegs. Umgekommen sein soll auch ein Guide, der seit Jahren Exkursionen durch die Schlucht leitet. Wäre die Tragödie vermeidbar gewesen? Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen Unbekannt eingeleitet. Doch Giacomo Zanfei warnt vor vorschnellen Schlüssen: Die Guides in der Raganello-Schlucht seien sehr erfahren. »Deswegen wird hier niemand kriminalisiert. Das sind Ereignisse, die ein Mal im Leben passieren.« dpa/nd

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