nd-aktuell.de / 22.08.2018 / Kultur / Seite 12

Obatz’d is!

Dieser Tage mag man sich in Berlin nicht gern als Bayer outen. Schließlich will man sich nicht zum Horst machen lassen, nur weil die CSU-Extremisten aus demselben Bundesland kommen. Doch früher oder später kommt für jeden Exil-Bayern, der meist wegen der Hegemonie jener xenophoben Wahlmonarchisten gen Nordosten geflohen ist, der Zeitpunkt, an dem er seine Herkunft nicht mehr leugnen kann und es ihn nach kulinarischen Köstlichkeiten von jenseits der Donau gelüstet.

Wer nun glaubt, dass es sich dabei um Weißwürste handelt - die ein richtiger Bayer nicht mit Gabel und Messer isst, sondern auszutzelt, also auslutscht -, liegt falsch. Denn das Problem bei den Weißwürsten ist, dass sie das Glockenläuten nicht hören dürfen und somit für den hektischen Alltag in der Hauptstadt nicht gemacht sind. Nein, dem Bayer fehlt ein ganz anderes Gericht in der Hauptstadt. Es ist der Obatzda, im Fränkischen auch als »Gerupfter« bekannt.

Ursprünglich eine Art und Weise, alten Weichkäse noch verwerten zu können, ist der Obatzda, der zu keiner Brotzeit fehlen darf, eine Glanzleistung der bayerischen Kochkunst. Es handelt sich um eine Käsecreme ähnlich dem Liptauer Käse (nur besser), bei der Camembert, Brie oder Ähnliches mit Butter und Paprikapulver vermengt werden. Auch ein Schuss Bier, Kümmel oder Schnittlauch werden gerne dazugemischt. Am liebsten gegessen wird diese Delikatesse mit einer frischen Brezen. Ein paar Radieschen und Zwiebeln runden die Sache ab, sind aber für den puristischen Obatzda-Aficionado nicht unbedingt nötig.

Wer diese bajuwarische Köstlichkeit speisen möchte, dem seien zwei Lokalitäten empfohlen, die man trotz ihrer ähnlichen Namen nicht verwechseln darf: das Gasthaus Valentin am Kreuzberger Südstern und das Valentin- stüberl in der Neuköllner Donaustraße. Ersteres öffnet im Sommer einen kleinen Biergarten, in dem wie in den bayerischen Originalen, eine schattenspendende Kastanie steht und einem der Kellner mit Verweis auf die Tradition erklärt, dass man auf eine Speisekarte verzichtet. Das Angebot sei stattdessen auf einer Tafel am Eingang ablesbar. Ansonsten geht es dort eher gutbürgerlich zu.

Das Valentinstüberl hingegen fällt dadurch auf, dass die obligatorischen Bierbänke mangels einer größeren Außenfläche und aufgrund einer gewissen künstlerischen Freigeistigkeit auch im Inneren der Kneipe zu finden sind. Wer dort zu seinem Obatzda ein zünftiges Helles trinken will, dem sei entweder das naturtrübe Hacker-Pschorr vom Fass oder das Giesinger aus der Flasche angeraten, das aus dem gleichnamigen Münchner Arbeiterviertel stammt, in dem das 1860er-Stadion und der älteste McDonald’s Deutschlands zu finden sind.

Überhaupt ist das Valentinstüberl auch etwas für spätere Stunden, wo man an der Theke nach drei, vier Hellen die Legende von Unertl dem Siebten erzählt bekommt und man sicher sein kann, dass gewiss jeder im Raum weiß, dass der Freistaat keine Erfindung der CSU ist, sondern eine von Kurt Eisner, dem sozialistischen Revolutionär, USPD-Politiker und ersten Ministerpräsidenten Bayerns.