nd-aktuell.de / 26.09.2018 / Kommentare / Seite 5

Wissen, wo das Zuhause ist

Steffen Bockhahn hält nichts von 24h-Kitas. Kleinkinder sollte in ihrem eigenen Bett schlafen, meint er

Steffen Bockhahn

Qui bono? Wem nützt es? Kitas sind für Linke für gewöhnlich zuerst eine Bildungseinrichtung. Die Kinder profitieren, weil sie von Fachpersonal gebildet werden. Am Ende haben aber auch Eltern und die Gesellschaft als Ganzes etwas davon. Die Bildungsbestandteile werden in den Kitas immer wichtiger. Die Kitas sind jedoch auch Betreuungsangebote. Sie ermöglichen es Eltern, einer Arbeit - meistens einer Erwerbsarbeit - nachzugehen. Daher kommt die Idee, für die Inanspruchnahme einer Kita eine Gebühr, den Elternbeitrag, zu erheben. Durch die Betreuung können Eltern Einkommen erzielen. Die Vorteile für ArbeitgeberInnen werden wie oft üblich ausgeblendet, die Kosten sozialisiert und den Eltern aufgebürdet.

Kitas sollen elternbeitragsfrei sein, weil Bildung kostenfrei sein soll. Ohne Zweifel kümmern Eltern sich in den meisten Fällen rührend und verantwortungsvoll um die Kinder. Bleiben die Kleinen über Nacht in der Kita und werden morgens abgeholt, sind sie tagsüber zu Hause. Dann haben sie nichts von dem Bildungsangebot in der Einrichtung.

Eben diese Angebote sind in vielen Landesgesetzen aber ausdrücklicher Auftrag und Anspruch an Kitas. Bleiben die Kinder bis um zwölf in der Kita, sind sie am Nachmittag noch für vielleicht vier Stunden bei den Eltern, bevor die wieder zur Schicht und das Kind in die Kita müssen. Wo ist dann aber der Lebensmittelpunkt der Kinder, wo das zu Hause?

Unbestritten gibt es in den Kitas abends und nachts viel Zuwendung, Hingabe und Geborgenheit. Doch die Kleinen sollten als erste Bezugspersonen die Eltern haben (können). Nicht ohne Grund sollen sie zum Beispiel in Mecklenburg Vorpommern laut Gesetz nicht mehr als 50 Stunden die Woche in der Kita sein.

Es ist nicht emanzipatorisch oder links, zunächst die Bedürfnisse der ArbeitgeberInnen nach verfügbarem Personal zu befriedigen und danach die Betreuungsangebote auszurichten. Eltern in der Familienphase des Kindes müssen die Möglichkeit haben, nachts zu Hause zu sein. ArbeitgeberInnen müssen Personal entsprechend einteilen und gegebenenfalls eben mehr Leute beschäftigen. Das gilt ebenso für Polizei, Feuerwehr und Krankenhäuser. Eine Beteiligung der ArbeitgeberInnen an den massiven Mehrkosten der 24h-Kitas ist zudem die absolute Ausnahme. Somit ist es eine Subvention für Unternehmen.

Natürlich müssen sich Öffnungszeiten der Kitas den Bedarfen anpassen. Von 8 bis 16:30 Uhr geöffnete Einrichtungen helfen niemandem. Auch Öffnungszeiten am Wochenende sind akzeptabel, wenn es bei fünf Tagen pro Woche für das Kind bleibt. Wer dennoch wirklich aus beruflichen Gründen eine Betreuung braucht und sie nicht im familiären oder vertrauten Umfeld realisieren kann, muss diese bekommen. Dafür braucht man aber keine 24h-Kita. Das geht ebenfalls mit individuellen Lösungen und so, dass die Kleinen in ihrem Bett schlafen können - beispielsweise durch Babysitter-Pools und »Leihgroßeltern«.

Falk Steiner fordert längere Öffnungszeiten für Kitas.[1]

Ein letztes Argument: 24h-Kitas sind personalintensiv, wobei die Kinder die meiste Zeit schlafen. Es wäre für alle von Vorteil, dieses Fachpersonal wäre tagsüber da und unterstütze die KollegInnen bei der Bildungsarbeit und Betreuung.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1098830.pro-h-kita-aufmachen.html