Werbung

nd-Leserwanderung: Eine unendliche Geschichte

Die 100. nd-Leserwanderung steht unmittelbar bevor. Ein Blick zurück bis ins Jahr 1969

Die Idee, eine Leserwanderung zu organisieren, hatte der Redakteur Werner Morenz. Gemeinsam mit dem Lehrer Kurt Müller, der 1967/68 beim Komitee für Touristik und Wandern arbeitete und monatlich zwei Wandertipps für die Leser beim SED-Zentralorgan »Neues Deutschland« ablieferte, arbeitete Morenz diese Idee aus. An mehreren Wochenenden sollten die Teilnehmer mit dem Kompass in den Wald laufen und nach vorher in der Zeitung veröffentlichten Hinweisen bestimmte Kontrollpunkte finden. In Briefen an die Redaktion sollten sie beschreiben, was sie dort vorfanden, und so beweisen, dass sie wirklich ans Ziel gelangten.

So lautete bei der 2. nd-Orientierungswanderung 1970 die Frage zum dritten Kontrollpunkt: »Neben einem Holunder steht ein Baum, an dem sich wilder Hopfen emporrankt. Wie heißt dieser Baum?« Es war eine Birke. 111 Leser haben die erste Orientierungswanderung Ende 1969 mitgemacht und 153 die zweite Wanderung Anfang 1970. Unter den richtigen Einsendungen wurden zehn Geldpreise von je 20 Mark ausgelost.

Leserin Sigrid Kruse schwärmte anschließend in einem Brief: »Die Wanderung mit meiner Familie war ein großer Gewinn. Wie schön ist doch unser sozialistisches Vaterland. Veröffentlichen Sie deshalb öfter - auch im Winter - solche Tipps.« Redakteur Morenz sagte dies postwendend zu. So entstand die nd-Wanderung, die seitdem ununterbrochen immer im Frühjahr und im Herbst stattfindet.

Viele haben seit der Wende 1989/90 gedacht, dass es mit dem »nd« nun bald zu Ende gehen werde. Da sind wir aber immer noch, wenn auch gerade wieder mit akuten Existenzsorgen. Doch wir lassen uns nicht unterkriegen: Am 16. September findet sie statt, die 100. nd-Leserwanderung.

Insgesamt 173 880 Teilnehmer sind bislang bei den nd-Wanderungen gezählt worden. Der Wert ist gerundet, denn im Archiv finden sich für bestimmte Wanderungen nur Angaben wie die, dass knapp 1500 oder mehr als 2000 Menschen mitgelaufen seien, während für andere Wanderungen die exakte Zahl der ausgegebenen Startkarten vermerkt ist. Den Teilnehmerrekord gab es im Herbst 1983, als 4062 Menschen zu einer nd-Wanderung nach Berlin-Köpenick kamen. Zwillingsschwestern, Hausgemeinschaften, Arbeitskollektive, sowjetische Soldaten sowie Lehrlinge und Studenten aus Afrika und Lateinamerika sind mitgelaufen, nach der Wende kam dann viele Jahre lang ein Ehepaar aus Göttingen. Die Eheleute sind immer in aller Herrgottsfrühe aufgestanden und haben den ersten Zug nach Berlin genommen, um rechtzeitig zum Start der Wanderung zu kommen. Manchmal haben wir am Start mit dem Abbauen des nd-Standes gewartet, bis sie eingetroffen waren.

Es gab bei den nd-Wanderungen zeitweise ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Luftgewehrschießen, Kegeln und anderen Aktivitäten. Auch die für das Sportabzeichen verlangten Übungen konnten manchmal bei dieser Gelegenheit absolviert werden. So zeigt ein altes Foto einen rüstigen Rentner mit Fellmütze beim Dreierhopp. Am Ziel sangen beispielsweise Chöre oder es spielte ein Militärmusikorchester der sowjetischen Truppen. Auch Kabaretteinlagen gab es dort.

Höchstwahrscheinlich hat niemand sämtliche nd-Wanderungen absolviert. Wenn doch, sollten er oder sie sich unbedingt bei uns melden. Aber es gibt viele, die immer wieder dabei sind. Als die Termine der Wanderungen noch nicht im Jahreskalender der Zeitung eingetragen waren, riefen manche Leser Monate vorher an, um das Datum zu erfahren. Sie wollten ihren Urlaub so planen, dass sie zur Wanderung in Berlin sind.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal