nd-aktuell.de / 25.08.2018 / Politik / Seite 20

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Maria Isabel Mariani

19. 11. 1923 - 20. 8. 2018

Ihr blieb nicht vergönnt, was vielen ihrer Mitstreiterinnen vergönnt war: ihre wegen der zivil-militärischen Diktatur in Argentinien (1976 bis 1983) geraubte Enkelin nach dem Ende des Regimes wiederzufinden und in die Arme zu schließen. Fünf Tage nach ihrem 53. Geburtstag erhielt María Isabel »Chicha« Mariani die Nachricht, die ihr Leben einschneidend verändern würde: Die Schergen der Militärdiktatur hätten ihre Schwiegertochter ermordet, Sohn und Enkelin entführt. Der Sohn wurde knapp ein Jahr später ermordet, über das Schicksal der Enkelin Clara Anahí besteht bis heute keine Klarheit.

María Isabel »Chicha« Mariani gehörte zu jenen Frauen, die seit dem 30. April 1977 geschmückt mit weißen Kopftüchern bis heute jeden Donnerstag vor den Regierungspalast ziehen, um die Aufklärung der Fälle der Verhaftet-Verschwundenen zu fordern. Seit jenem Apriltag müht sich die Menschenrechtsorganisation Großmütter vom Plaza de Mayo um eine Aufarbeitung der Geschichte. Erst vor wenigen Tagen vermeldete die Organisation, den 128. während der Militärdiktatur geraubten Enkel identifiziert und ausfindig gemacht zu haben. Ein Gentest sorgte für Gewissheit. Diese Gewissheit konnte »Chicha« trotz unermüdlicher Suche nicht erlangen. ml

Atal Bihari Vajpayee

25. 12. 1924 - 16. 8. 2018

Mit Atal Bihari Vajpayee begann der Aufstieg der Hindu-Nationalisten von der rechten Partei BJP, der auch der derzeitige Premierminister Narendra Modi angehört. Vajpayee war eine schillernde Figur: In seiner Freizeit dichtete er, als Politiker zog er sprachmächtig mit seiner glänzenden Rhetorik zahlreiche Anhänger in seinen Bann.

Seine fünf Jahrzehnte umfassende Karriere erreichte in den 1990er Jahren ihren Höhepunkt, als er mit seiner BJP die traditionelle Dominanz der Kongress-Partei über die indische Politik beendete. Nach Indiens Unabhängigkeit 1947 war er der erste Nicht-Kongress-Politiker, der 1999 bis 2004 eine volle Amtszeit als Premierminister über die Bühne brachte.

Vajpayee stand für einen moderaten Hinduismus. Er zeigte sich entsetzt von den religiösen Unruhen im Bundesstaat Gujarat 2002, bei denen Hunderte Muslime gelyncht wurden. Die Zerstörung der Babri Masjid-Moschee in Ayodhya durch radikale Hindus 1992 nannte er »Indiens dunkelste Stunde«. Sein weniger moderater Ziehsohn Modi erklärte, Vajpayees Tod sei für ihn »ein persönlicher und unersetzlicher Verlust«. ml