nd-aktuell.de / 06.09.2018 / Politik / Seite 8

Die ersten Leidtragenden sind die Schulen

Nach Streichung der Hilfsgelder für Palästinenser durch die USA fordert Libanon ein Treffen der Geberländer

Karin Leukefeld, Damaskus

Nun hat die US-Administration ernst gemacht und ihre Zahlungen an die UN-Organisation für die palästinensischen Flüchtlinge (UNRWA) eingestellt. Im Januar war bereits ein Teil der Zahlungen in Höhe von 65 Millionen US-Dollar einbehalten worden, nur 60 Millionen wurden ausgezahlt. Nun veranlasste US-Präsident Donald Trump, dass auch der Rest des 230 Millionen US-Dollar Beitrages der USA nicht fließt: Nachdem die US-Administration das von Israel besetzte Jerusalem als »ewige Hauptstadt eines jüdischen Staates« im Dezember 2017 anerkannt hatte, brachen die Palästinenser aus Protest die Kontakte nach Washington ab. »Die Palästinenser wollen nicht mehr über den Frieden reden«, meinte Trump daraufhin. »Warum sollten wir in Zukunft noch diese riesigen Zahlungen an sie vornehmen?« Betroffen ist auch die US-Entwicklungsorganisation USAID, deren Hilfe für die besetzten palästinensischen Gebiete nun eingestellt wurde.

Seit 1949 unterstützt die UNRWA palästinensische Flüchtlinge, die bei der gewaltsamen Gründung des Staates Israel 1948 ihre Heimat verloren haben. Ihr Recht auf Rückkehr, das auch Recht ihrer Nachfahren ist, regelt die Resolution 194 des UN-Sicherheitsrates. Das UNRWA-Mandat geht auf einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates zurück und wird alle drei Jahre von der UN-Generalversammlung erneuert. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen Nikki Haley forderte Ende August, das Recht der Palästinenser auf Rückkehr müsse »vom Tisch«.

UNRWA ist der größte Arbeitgeber für die Palästinenser, und ein Entzug der Finanzen könnte für die Ökonomie in den besetzten Gebieten, Jordanien, Libanon und Syrien ernste Konsequenzen haben. Durch die UN-Organisation kommen ausländische Währungen in die Länder und UNRWA stellte soziale Dienste sicher, die von den lokalen Behörden der Gastländer nicht gewährleistet werden können.

5,3 Millionen Palästinenser in den von Israel besetzten Gebieten im Westjordanland, Ostjerusalem und im belagerten Gazastreifen sowie in Jordanien, Syrien und Libanon sind auf die Hilfe der UNRWA angewiesen. 54 Prozent des Geldes - das Programm hat einen Umfang von 1,1 Milliarden Dollar jährlich - gehen in die Bildung, und sollte es nicht gelingen, die fehlende Summe von 217 Millionen US-Dollar zu erhalten, könnte die Organisation schon Ende September gezwungen sein, alle 711 Schulen zu schließen. Betroffen wären 526 000 Schülerinnen und Schüler.

Dass die UNRWA für immer mehr Menschen sorgen müsse, sei auf das »völlige Versagen der betroffenen Parteien und der Internationalen Gemeinschaft« zurückzuführen, sagte UNRWA-Direktor Pierre Krähenbühl beim Besuch einer UNRWA-Schule im Whedat Flüchtlingslager in Jordanien. »Sie haben diesen Konflikt nicht gelöst oder erklärt, warum die palästinensischen Flüchtlinge nach 70 Jahre noch immer Flüchtlinge sind.«

Das libanesische Außenministerium erklärte, die Staaten, die der Gründung des Staates Israel auf palästinensischem Boden zugestimmt haben, die die Besatzung und die Vertreibung der Palästinenser gedeckt haben, seien »verpflichtet der UNRWA zu helfen.« Das »unantastbare Recht« der Palästinenser aus den Aufnahmeländern wie Libanon in ihre Heimat zurückzukehren, solle ebenso ausgelöscht werden, wie die Zwei-Staaten-Lösung. »Die Araber, die noch in den besetzten palästinensischen Gebieten leben, sollen vertrieben werden.« Libanon fordert eine Dringlichkeitssitzung der Arabischen Liga und ein Treffen der Geberländer am Rande der nächsten UN-Vollversammlung.

Sollte die UNRWA nicht mehr in der Lage sein, ihre Arbeit zu machen, werde das »extrem gefährliche Auswirkungen auf die humanitäre, politische und Sicherheitslage der Flüchtlinge und auf die gesamte Region haben«, warnte der jordanische Außenminister Ayman Safadi. Ein »Klima der Verzweiflung« könne sich festigen, was zu verschärften Spannungen führen und Friedensbemühungen schwächen werde.