nd-aktuell.de / 14.09.2018 / Sport / Seite 19

Die Zeit des Hinterherrennens ist vorbei

Die Deutsche Eishockey Liga startet in die 25. Saison. Die Favoriten Berlin und München treffen gleich aufeinander

Jürgen Holz

Fünf Jahre ohne Titel sind offenbar genug. Denn Sportdirektor Stephane Richer umreißt die Erwartungen beim deutschen Eishockeyvizemeister Eisbären Berlin so: »Wir wollen ein Buch mit Happy End schreiben.« Im Klartext heißt das wohl: Nach dem siebenten und letzten Titelgewinn im Jahr 2013 soll die Meisterschaft endlich wieder nach Berlin geholt werden. »Doch erst mal wollen wir eine attraktive Hauptrunde spielen und unter die ersten Vier kommen«, setzt Richer das erste Zwischenziel.

Der neue Cheftrainer heißt Clement Jodoin. Als früherer Co-Trainer folgt er dem zu Sparta Prag gewechselten Uwe Krupp und ist etwas zurückhaltender als sein Sportdirektor. Der 66-jährige Kanadier, der nur einen Einjahresvertrag beim Rekordmeister der Deutschen Eishockey Liga (DEL) erhalten hat, spricht von einem »Neubeginn«. Da werde »vieles ganz anders laufen«, aber die Eisbären hätten »eine gute Mannschaft« beisammen.

Fünf Abgänge hatten die Berliner zu ersetzen, darunter der zum Publikumsliebling aufgestiegene 40-jährige finnische Torwart Petri Vehanen, der seine Laufbahn beendete. Neun Spieler wurden neu verpflichtet. Ob sie eine Verstärkung sind, wird sich erst noch zeigen müssen. Die vier Niederlagen in der Champions Hockey League mit 3:5 und 1:6 gegen den EV Zug aus der Schweiz sowie 2:3 und 3:4 gegen den tschechischen Meister HC Kometa Brno und damit das unerwartete Vorrundenaus waren jedenfalls eine glatte Enttäuschung. Das umso mehr, weil die Eisbären in der Saisonvorbereitung durchaus überzeugt und alle ihre Testspiele gegen teilweise gute Konkurrenten gewonnen hatten.

Der alte und neue Kapitän André Rankel glaubt nicht an einen »Dämpfer in der Aufbruchstimmung«, weil das »Engagement in der Mannschaft« stimme. Doch keine Frage: Das Team werde zum Saisonstart am Freitag auf heimischem Eis im Topduell Vizemeister kontra Titelverteidiger Red Bull München zulegen und disziplinierter spielen müssen, soll ein Fehlstart vermieden werden.

Vor allem am neuen Spielsystem muss noch gefeilt werden. Unter dem neuen Trainer spielen die Berliner etwas anders als noch unter Vorgänger Krupp. »Wir wollen die Scheibe am Schläger halten und dann mit viel Geschwindigkeit ins gegnerische Drittel kommen«, beschreibt Jodoin die Taktik. Tatsächlich spielen die Eisbären den Puck nicht mehr ganz so oft tief ins gegnerische Drittel, um ihn sich dort in den Ecken wieder zu erkämpfen. Weniger Hinterherrennen, mehr Puckbesitz ist also die neue Maßgabe.

Neben diesem neuen Stil wird einmal mehr der Faktor Disziplin eine große Rolle spielen. In der Champions League hatten sich in Unterzahl die altbekannten Probleme mit vielen Gegentoren gezeigt. Und in Überzahl waren die Eisbären in der vergangenen DEL-Spielzeit mit einer Erfolgsquote von knapp 17 Prozent das viertschwächste Team der Liga.

Wenn sie am Freitag in die Saison starten, wird ein Hoffnungsträger fehlen: Marcel Noebels. Der 26-jährige Nationalspieler hat die Berliner erst vor einer Woche verlassen. Der olympische Silbergewinner trainiert ab sofort beim NHL-Klub Boston Bruins und erhofft sich dort einen Vertrag in der NHL, die als beste Profiliga der Welt gilt. Sein Vertrag bei den Eisbären ruht vorerst, würde bei einer Rückkehr aber wieder aktiviert.

Die 14 Trainer erwarten nach vielen Wechseln in der Liga zunächst einmal ein ausgeglichenes Titelrennen. Dabei war kaum einer mit seinem Meistertipp so deutlich wie Don Jackson vom Meister aus München. Der 62-jährige Erfolgstrainer - fünfmal Meister mit Berlin, dreimal mit München - erklärte unmissverständlich: »Wir wollen immer gewinnen und unseren Titel verteidigen.«

Bei den Bullen - mit einem geschätzten Etat von 13,5 Millionen Euro auch finanziell der Krösus - hat es neun Ab- und fünf Zugänge gegeben. Jackson setzt auf einen »guten Mix«, wie er sagt, betont jedoch auch, dass »es einige Zeit dauern wird, bis alles zusammenwächst«. Die Mannschaft sei aber nicht schlechter als zuletzt, als der Titel-Hattrick gelang. Mit ihr soll es nun einen historischen vierten Titelgewinn in Folge geben. Dieses Kunststück hat es seit Einführung der Bundesliga vor 60 Jahren und der Gründung der DEL vor 25 Jahren erst einmal durch die Düsseldorfer EG gegeben, die von 1990 bis 1993 Meister geworden war.

Zu den Mitfavoriten werden auch die Adler Mannheim gezählt. Hier ist man dabei, sich neu zu erfinden. Die Adler gehen mit dem zweithöchsten Etat von 13 Millionen Euro und einer total umgekrempelten Mannschaft in die Jubiläumssaison: 13 Ab- und elf Neuzugänge wurden gezählt. Trotz des Halbfinaleinzugs in der Vorsaison wurden auch gleich Trainer und Manager ausgewechselt. Nach dieser ungewöhnlichen Zäsur soll nun der Angriff auf den Titel folgen, den es beim sechsfachen Meister zuletzt 2015 gegeben hat.