nd-aktuell.de / 22.09.2018 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 1

Wohnungspolitische Alibiveranstaltung

Bundesregierung präsentiert keine neuen Maßnahmen gegen explodierende Mieten

Simon Poelchau

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verspricht »große Kraftanstrengungen«, um das Ziel von mehr Wohnungen zu erreichen. Bundesinnen- und Bauminister Horst Seehofer (CSU) spricht von einem »ganz starken Signal«, das vom Wohngipfel am Freitag ausging. Doch hört man auf die Opposition, dann war das Treffen der Bundesregierung mit Vertretern der Länder, Kommunen sowie Bau- und Immobilienwirtschaft in Berlin eine »reine Alibiveranstaltung« vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen.

»Bei diesem Show-Event werden nur die völlig ungenügenden Ansätze aus dem Koalitionsvertrag präsentiert«, erklärte die stellvertretende Vorsitzende der LINKE-Bundestagsfraktion Caren Lay. Auch der Deutsche Mieterbund sprach von einer Veranstaltung mit Symbolcharakter. »In der Sache aber hat der Wohngipfel aus unserer Sicht wenig Neues gebracht«, sagte Bundesdirektor Lukas Siebenkotten. »Das Eckpunktepapier der Bundesregierung enthält neben einer Reihe von Absichtserklärungen vor allem Hinweise auf altbekannte Vorschläge und Vereinbarungen.«

So ist das Ziel von rund 1,5 Millionen neuen Wohnungen bis zum Ende der Legislaturperiode nicht neu. Auch die Anhebung des Wohngeldes für einkommensschwache Haushalte, das Baukindergeld, die Steuerabschreibungen für den Bau von Mietwohnungen, die Bereitstellung günstigen Baulandes durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sowie die Förderung des sozialen Wohnungsbaus durch den Bund haben CDU, CSU und SPD bereits Anfang des Jahres im Koalitionsvertrag beschlossen.

Wie drängend das Problem der Wohnungsnot ist, zeigen Zahlen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Demnach fehlen allein in Berlin rund 310 000 bezahlbare Wohnungen. Bundesweit sind es in den Großstädten insgesamt rund 1,9 Millionen. Und für 5,6 Millionen Haushalte mit 8,6 Millionen Menschen in Deutschlands Großstädten ist die Mietbelastung problematisch hoch. Dabei gilt eine Miete als problematisch, wenn die Haushalte mehr als 30 Prozent ihres Einkommens dafür ausgeben müssen. Auch viele Vermieter ziehen hier eine Grenze, weil sie bezweifeln, dass Mieter sich ansonsten ihre Wohnung dauerhaft leisten können.

»Es ist ein fatales Signal, dass die Mittel für den sozialen Wohnungsbau ab 2020 um ein Drittel, auf eine Milliarde Euro pro Jahr, gekürzt werden«, erklärte Grünen-Wohnungsexperte Chris Kühn. Deshalb seien die angekündigten fünf Milliarden Euro für diese Legislaturperiode auch bloße Augenwischerei. »Dieser Betrag reicht bei Weitem nicht aus und muss mindestens verdoppelt werden«, so Kühn.

»Die angekündigte Nachbesserung der Mietpreisbremse ist eine Minireform, von der nur wenige Mieter profitieren«, erklärte LINKE-Mietenexpertin Lay. Stattdessen brauche es die Streichung aller Ausnahmen und einen echten Mietendeckel.