nd-aktuell.de / 24.09.2018 / Politik / Seite 5

Feministische Diplomatie

Das Netzwerk CFFP will die Rolle von Frauen in der Außenpolitik stärken und hat einen Empfehlungskatalog für die Bundesregierung vorgelegt

Lotte Laloire

Rund hundert Frauen reden über Außenpolitik. Ihr Englisch ist flüssig, ihre Bildung akademisch. Viel dunkler Lippenstift, vereinzelt ein Kopftuch. Männer stehen eher am Rand, mit Babys im Tragetuch oder zum Türaufhalten.

Ginge es in der internationalen Politik so zu wie bei der Auftaktveranstaltung des Centre for Foreign Feminist Policy (CFFP) am Donnerstagabend in Berlin, hätte sich die Organisation wohl gar nicht erst gründen müssen. Aber unter den mehr als 190 deutschen Botschaftern waren zu Beginn des Jahres nur gut zwanzig Frauen. Bei den Vereinten Nationen sind gerade einmal 26,8 Prozent der hohen Positionen mit Frauen besetzt, wie eine Studie der Frauenorganisation UN-Women aus dem Jahr 2017 zeigt. Mit der Ecuadorianerin María Fernanda Espinosa hat die UN-Generalversammlung in ihrer 73-jährigen Geschichte derzeit erst zum vierten Mal eine weibliche Präsidentin. Sie ist die erste Frau aus Lateinamerika auf diesem Posten. Auch sexuelle Gewalt kommt in der Branche vor wie überall sonst auch, ob durch Blauhelme oder Botschafter.

Das geht so nicht weiter, findet die 29-jährige Kristina Lunz. Die Frau in Seidenkleid und Turnschuhen hat als erste in ihrer Familie studiert - und das in Oxford. Danach arbeitete sie für das Entwicklungsprogramm der UN in Myanmar und als Beraterin für UN-Women. Um das Männerbusiness Außenpolitik weiblicher zu machen, hat sie jetzt das CFFP in Deutschland eröffnet. In London besteht die Organisation unter Führung von Marissa Conway bereits seit 2016.

Zusammen wollen die Frauen die »zerstörerischen Kräfte des Patriarchats, Kapitalismus, Rassismus und Militarismus genau unter die Lupe nehmen«, wie es auf ihrer englischsprachigen Website heißt. Im Gespräch betont Lunz, dies solle »unabhängig von politischen Ideologien« geschehen. Die gemeinnützige GmbH plant parteiunabhängige Lobbyarbeit und eine wissenschaftliche Studie, gefördert von der Heinrich-Böll-Stiftung. Daneben gibt das CFFP das Magazin »Disrupted« heraus.

Vorbild für die Initiative ist Schweden, dessen sozialdemokratische Außenministerin Margot Wallström Feminismus vor vier Jahren zur Staatsdoktrin erklärt hat. Das Land hat im UN-Sicherheitsrat unter anderem dafür gesorgt, dass mehr Frauen an Friedensverhandlungen teilnehmen. Neben angemessener weiblicher Repräsentation in außenpolitischen Ämtern fordert das CFFP auch, dass Frauen und ihre Interessen in den jeweiligen Programmen stärker berücksichtigt werden. Schließlich seien Frauen beispielsweise durch Waffenhandel oder Krieg anders und teilweise stärker betroffen als Männer, erklärt die zum Auftakt eingeladene Professorin Elvira Rosert von der Goethe-Universität Frankfurt.

CFFP-Direktorin Lunz sieht einen Zusammenhang dazwischen, wie Frauen in einem Staat behandelt werden und wie aggressiv dieser Staat außenpolitisch auftritt, da etwa »Gewalt gegenüber Frauen auch jede andere Form von Gewalt legitimiert«, so Lunz. Sie fordert: »Deutschland muss sich endlich an oberster Stelle - und damit meine ich Heiko Maas - zu einer feministischen Außenpolitik bekennen.« »Wer es ernst meint mit Frieden und Sicherheit, muss die weltweite Ungleichheit bekämpfen, und dazu gehört eben auch Geschlechterungleichheit«, so Lunz, die auch Trägerin des Clara-Zetkin-Preises ist.

Außenminister Heiko Maas (SPD) habe versprochen, einen Schwerpunkt auf die Umsetzung der UN-Resolution 1325 für »Frauen, Frieden und Sicherheit« zu legen. Was das bedeuten könnte, hat Lunz in einem Empfehlungskatalog an die Bundesregierung gemeinsam mit dem Zentrum für internationale Friedenseinsätze aufgeführt. Ein Stichwort darin ist »Intersektionalität«. Das heißt, die deutsche Außenpolitik soll Aspekte wie Religionszugehörigkeit, sexuelle Orientierung, sozialen Status oder Alter und deren Zusammenspiel berücksichtigen. Auch »sexualisierte Gewalt gegen Männer und Jungen« wird in dem Papier erwähnt.

Der Zeitpunkt der Gründung, einige Monate bevor Deutschland einen Sitz im UN-Sicherheitsrat übernimmt, könnte sich als günstig für das Vorhaben erweisen. Auch das Publikum ist optimistisch. »Feminismus ist gerade auch einfach Zeitgeist«, sagt der Mann mit dem Baby im Tragetuch gegenüber »nd«.