nd-aktuell.de / 25.09.2018 / Politik / Seite 7

Den Klimawandel verlangsamen

Tony Rinaudo erhält den Alternative Nobelpreis für eine von ihm entwickelte Wiederaufforstungstechnik

Philipp Hedemann

Herr Rinaudo, Sie haben gerade den Alternativen Nobelpreis gewonnen. Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung?

Das ist für mich eine große Ehre. Ich nehme diesen Preis im Namen all derer an, die diese Auszeichnung ermöglicht haben. Das sind die Bauern und Gemeinschaften, die daran geglaubt haben, dass sie ihre Landschaft und ihr Leben verändern können, indem sie FMNR anwenden. Das sind die Mitarbeiter und Kollegen, die hart dafür gearbeitet haben, auf vieles verzichtet haben und manchmal Gefahren ausgesetzt waren, um die Technik voranzubringen. Und das sind die Spender, die unsere Arbeit über viele Jahre hinweg unterstützt haben. Für mich persönlich ist es eine sehr schöne Anerkennung der Arbeit, die ich liebe, die jedoch in vielen Jahren auch mit Entbehrungen verbunden war. Und die Auszeichnung stellt eine große Chance, da FMNR weltweit bekannt zu machen. Wird die Technik in Zukunft verstärkt angewendet, können wir so Landschaften und Leben zu verändern - zum Besseren!

Was ist das Besondere an Ihrer Wiederaufforstungstechnik?

Sie ist günstig, wirkt rasch und kann schnell ausgeweitet werden. Aber das wichtigste ist: es hilft den Menschen! Durch FMNR lernen sie den Wert der sie umgebenden natürlichen Ressourcen zu schätzen. Sie lernen mit der Natur zu arbeiten, anstatt gegen sie anzukämpfen. Dabei sind sie nicht auf fremde Hilfe oder Expertise angewiesen. Fast jeder, der die Technik einmal erlernt hat, kann sie selbst anwenden. Es bringt verlorene Hoffnung zurück und macht Freude! Menschen, die sich zuvor wie hoffnungslose Opfer von Armut und Klimawandel gefühlt haben, erkennen so, dass sie es zu einem großen Teil selbst in der Hand haben, sich eine bessere Zukunft zu schaffen.

Kann so der Klimawandel aufgehalten werden?

Wenn es im großen Maßstab gemacht wird - und das ist technisch absolut möglich ist - hat die Technik tatsächlich das Potenzial den Klimawandel zu verlangsamen. Wenn Bäume wachsen, speichern sie Kohlendioxid und binden Kohlenstoff in Wurzeln, Stämmen, Ästen und Blättern. Und es ist möglich, FMNR auf mehreren zehn Millionen Hektar auf der ganzen Welt anzuwenden. Aber natürlich müssen auch alle Anstrengungen unternommen werden, um Emissionen zu reduzieren.

Und können die neuen Bäume und Wälder Armut bekämpfen?

Ja, wir haben festgestellt, dass FMNR die Armut stark reduzieren kann. Zum Beispiel im Niger, einem der ärmsten Länder der Welt. Dort hat sich FMNR in den letzten 35 Jahren auf rund sechs Millionen Hektar ausgebreitet hat und das Bruttonationaleinkommen ist um schätzungsweise rund 900 Millionen US-Dollar gestiegen. Die Menschen sind durch FMNR widerstandsfähiger gegen Klimaschocks geworden, weil es eine größere Artenvielfalt gibt, die Umwelt eine größere Pufferkapazität gegen Dürren und Überschwemmungen entwickelt hat und viele neue Einkommensmöglichkeiten entstanden sind. Aber: FMNR ist kein Allheilmittel! Am meisten bewirkt die Technik, wenn sie Bestandteil von ganzheitlichen Programmen ist, die unter anderem auf eine Verbesserung der Landwirtschaft, der Wasser- und Sanitärversorgung und der Familienplanung sowie eine Verlängerung der Wertschöpfungsketten abzielen.

Ist die Ära der teuren Pflanzkampagnen jetzt vorbei?

Ich sehe FMNR als Mittel der Wahl für großflächige Wiederaufforstungsprojekte, vor allem in Regionen mit geringen Niederschlägen. Nichtsdestotrotz wird es auch in Zukunft Pflanzungen geben. Bestimmte Obst- und Futterbäume und andere kommerziell genutzte Bäume, die in bestimmten Regionen nicht natürlich vorkommen, werden immer gepflanzt werden müssen. Auch in Gebieten, in denen die Baumwurzel komplett entfernt wurden oder abgestorben sind, werden Pflanzung notwendig sein, bis der natürliche Wachstumsprozess wieder beginnen kann.