nd-aktuell.de / 26.09.2018 / Sport / Seite 19

Rückkehr an den Ort des Traumas

Bei der WM in Rio müssen die deutschen Slalomkanuten in jener Stadt antreten, in der ihr Trainer vor zwei Jahren bei einem Autounfall starb

Frank Kastner, Rio de Janeiro

Die schmerzvollen Erinnerungen an den Tod von Stefan Henze kommen wieder auf. Zwei Jahre nach den schrecklichen Ereignissen in Rio de Janeiro sind Deutschlands Kanuten mit gemischten Gefühlen zur Weltmeisterschaft gereist. Sportlich zählt das Team von Chefcoach Michael Trummer zu den Favoriten, getrübt wird aber jeder Tag in der Olympia-Stadt durch den tödlichen Autounfall Henzes am 15. August 2016.

Wohlwissend hat die Teamführung die Mannschaft vorbereitet. »Wir hatten hier schon ein WM-Vorbereitungslager, das ist auch zusammengefallen mit dem Todestag von Stefan. Dort haben wir uns einen Tag lang sehr intensiv damit beschäftigt«, sagte Trummer. Man sei gemeinsam am Grab gewesen und habe dort alles besprochen, »was uns rund um das Thema passieren könnte«.

So etwas wie vor einem Jahr etwa, als sich die Brasilianerin Ivonette Balthazar öffentlichkeitswirksam mit dem Spenderherz von Henze in Rio präsentierte. Sie hatte nach dem tödlichen Taxi-Unfall Henzes Herz transplantiert bekommen. Schon wenige Tage später hatte sie die für sie lebenswichtige Organspende öffentlich gemacht.

Die Familie von Stefan Henze wollte dies nicht. Schon während der Sommerspiele berichteten Medien in Brasilien darüber. Cheftrainer Trummer hätte sich mehr Diskretion gewünscht: »Alle möchten, dass die Angehörigen Ruhe und Frieden finden, um soweit es irgend möglich ist, ins Leben zurückzufinden«.

Daher soll der Fokus in den WM-Tagen auf dem Sportlichen liegen. »Mit den Ergebnissen in diesem Jahr sind wir zufrieden, die Zuspitzung auf die WM hat auch funktioniert. Aber die WM ist der Gradmesser«, sagte Trummer, der zwei Einzelmedaillen in den vier olympischen Disziplinen zum Ziel gesetzt hat: »Egal welche Farbe.« Da wenig Training vor Ort möglich ist, sollen die Athleten die Feinabstimmung vor allem in den Teamdisziplinen am Dienstag vornehmen.

Zwei Jahre vor den Olympischen Spielen in Tokio sind die Stangen-Künstler voll im Soll. »Wir haben eine gute Anzahl jüngerer Boote mit drin, die teilweise noch in der U23 angesiedelt sind«, meinte der Cheftrainer. An den Etablierten führt so schnell kein Weg vorbei. In Rio gehören Kajak-Europameisterin Ricarda Funk aus Kreuznach, die das Weltcupfinale gewann, und der Augsburger Sideris Tasiadis mit drei Weltcupsiegen zu den Favoriten. Auch Vereinskollege Hannes Aigner kann im Kajak-Einer jederzeit in den Medaillenbereich reinfahren. Aufsteigende Form zeigte Canadier Franz Anton aus Leipzig.