nd-aktuell.de / 29.09.2018 / Berlin / Seite 13

»Erdogan ist Faschist« darf man rufen

Die Staatsanwaltschaft Berlin sieht Parole gegen türkischen Präsidenten als freie Meinungsäußerung an

Martin Kröger

Die Staatsanwaltschaft Berlin wird nicht juristisch gegen Demonstranten vorgehen, die bei den Protesten gegen den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan die Parole »Erdoğan ist ein Mörder und Faschist« rufen. Das geht aus der Antwort der Senatsverwaltung für Inneres auf eine Schriftliche Anfrage des Linkspartei-Abgeordneten Hakan Taş hervor, die »neues deutschland« exklusiv vorab vorliegt.

Demnach obliege die strafrechtliche Bewertung verbaler Äußerungen im Rahmen von öffentlichen Kundgebungen in erster Linie den Strafverfolgungsbehörden und gegebenenfalls im weiteren Verfahren auch den damit befassten Strafgerichten. »Hinsichtlich der Losung ›Erdoğan ist ein Mörder und Faschist‹ vertritt die Staatsanwaltschaft Berlin die Auffassung, dass eine Strafbarkeit unter Berücksichtigung der vorbezeichneten Schutzwirkung von Artikel 5 Absatz 1 GG grundsätzlich nicht anzunehmen ist«, erklärt Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage.

Soll heißen: Die genannte Äußerung wäre durch die im Grundgesetz garantierte freie Meinungsäußerung gedeckt. Im Rahmen einer kurdischen Kundgebung am 18. August dieses Jahres auf dem Berliner Alexanderplatz hatte allerdings die Polizei aufgrund des Anfangsverdachts von Straftaten die Personalien mehrerer Kundgebungsteilnehmer aufgenommen. Die Demonstranten sollen die infrage stehende Parole »Erdoğan ist ein Mörder und Faschist« gerufen haben. Nach der Kundgebung wurden im Anschluss gegen vier Personen Strafverfahren wegen Beleidigung und wegen eines Verstoßes gegen das Vereinsgesetz eingeleitet. Offenbar zu Unrecht, wie sich jetzt herausstellt.

»Die Antwort des Senats macht deutlich, dass die Polizei nicht einfach auf eigene Initiative eingreifen sollte, sondern sich vor der Einleitung von Strafverfahren juristisch bei der Staatsanwaltschaft rückversichern sollte, ob so ein Eingreifen gerechtfertigt ist«, sagte der Linkspartei-Abgeordnete Hakan Taş am Freitag dem »neuen deutschland«.