nd-aktuell.de / 29.09.2018 / Politik / Seite 2

AfD-Aussteiger

Der Hamburger AfD-Fraktionschef verlässt die Partei

Folke Havekost

CDU-Fraktionschef André Trepoll bezeichnete ihn als »bürgerliches Feigenblatt«, das der Hamburger AfD ein vermeintlich respektables Gesicht gegeben habe. Am Donnerstag kündigte Jörn Kruse seinen Rücktritt aus der bisher von ihm geleiteten siebenköpfigen AfD-Bürgerschaftsfraktion und aus der rechten Partei an. Die »zunehmende Zusammenarbeit von Teilen der AfD mit Rechten und Rechtsradikalen« sei für ihn »vollständig untolerierbar«, sagte der Professor für Volkswirtschaft. Nach den »Aktionen in Chemnitz« habe es eine »fast nicht vorhandene, laue Reaktion der Bundesspitze« gegeben.

Tatsächlich war der 69-Jährige so etwas wie ein Türöffner: Unter seiner Führung schaffte die AfD im Februar 2015 erstmals den Sprung in ein westdeutsches Landesparlament. Den Wahlkampf hatte Kruse noch mit kulturalisiertem Neoliberalismus auf der Linie des Parteigründers Bernd Lucke bestritten. Für ihn galten Migranten aufgrund ihrer unterstellten Bildungsferne als Gefahr hauptsächlich für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Als Gegengewicht zum Feindbild der 68er empfahl er damals, an den Hochschulen technische und naturwissenschaftliche Fächer zu stärken.

Die Eskalationsdynamik der neuen Partei zeigte sich auch in der Hansestadt: Schon Monate nach der Bürgerschaftswahl 2015 gab Kruse den Landesvorsitz auf, weil sich auf Bundesebene der Kurs von Frauke Petry durchgesetzt hatte. Der Weg nach rechts wurde auch in Hamburg konsequent bestritten: Kruses Co-Fraktionsvorsitzender Alexander Wolf gab nicht nur 1994 als Burschenschaftler die Liedersammlung »Schlachtruf« heraus, in der auch Gesänge der Hitlerjugend zu finden sind. Den Versuch, Pegida-Demonstrationen unter dem Motto »Merkel muss weg« in Hamburg zu etablieren, nannte Wolf »Bürgerbeteiligung im besten Sinne«.

»In Hamburg gibt es keinen Rechtsruck«, behauptet das zuvor langjährige SPD-Mitglied Kruse dennoch in einem Interview mit dem NDR. Ab dem 1. November wird er sich in der Bürgerschaft als fraktionsloser Abgeordneter vielleicht vom Gegenteil überzeugen können.