nd-aktuell.de / 29.09.2018 / Politik / Seite 1

Deutsches Störfeuer gegen EU-Klimaziele

Bundesregierung blockiert Anhebung und ignoriert damit Verpflichtungen aus Pariser Abkommen

Jörg Staude

Das offizielle Klimaziel der EU für 2030 soll nun doch nicht angehoben werden. EU-Kommissar Miguel Arias Cañete will seinen Vorschlag, dass die EU ihre CO2-Emissionen bis 2030 um 45 statt wie bisher um 40 Prozent reduziert, nicht den EU-Umweltministern zum Beschluss vorlegen.

Im Juni hatte er erstmals die höhere 45-Prozent-Marke ins Gespräch gebracht. Die EU könne das anspruchsvollere Ziel erreichen, argumentierte Cañete damals, wenn die geltenden EU-Beschlüsse zum Ausbau der Öko-Energien sowie zum Energiesparen umgesetzt werden. Bis 2030 soll der Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Energiebedarf auf 32 Prozent anwachsen statt wie zuvor auf 27 Prozent. Die Energieeffizienz soll um 32,5 statt um 30 Prozent steigen. Damit würde man de facto eine Reduzierung der Treibhausgase um 45 Prozent in der EU erreichen, rechnete er vor.

Hintergrund sind die Verpflichtungen der EU aus dem Pariser Klimaabkommen. Mit einer CO2-Reduktion von 40 Prozent bis 2030 kann die EU die Anforderungen des Ziels, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius zu begrenzen, nicht erfüllen - mit 45 Prozent wäre das eher möglich. Umweltschützer halten allerdings ein Minus von 55 Prozent für notwendig.

Cañete wollte die minus 45 Prozent beim kommenden Treffen der EU-Umweltminister am 9. Oktober endgültig beschließen lassen. Die Zahl taucht aber laut Medienberichten in der entsprechenden Beschlussvorlage nicht auf. Ursächlich für Cañetes Rückzieher ist laut der Umweltorganisation Germanwatch insbesondere der Widerstand Deutschlands. »Kaum ist der verheerende Dürresommer vorbei, torpediert die Bundesregierung einen Erfolg beim kommenden Klimagipfel im polnischen Katowice«, kritisiert Christoph Bals von Germanwatch.

Auch für die Grünen-Bundestagsabgeordnete Lisa Badum geht die Aufgabe des halbwegs ambitionierten Klimaziels der EU auf das Konto der Bundesregierung. Zum Todesstoß habe zudem die Einigung von Union und SPD in dieser Woche beigetragen, wirksame CO2-Grenzwerte, wie sie etwa vom Europaparlament vertreten werden, nicht zu unterstützen. »Hier wird eine klimapolitische Haltung der größten europäischen Volkswirtschaft deutlich, die mit dem Wort ›Ignoranz‹ noch nicht annähernd beschrieben ist«, sagte Badum. Offenbar habe Cañete einer Demütigung durch Deutschland zuvorkommen wollen, indem er den Vorschlag zurückzog.

Dass die EU ihr ehrgeiziges Klimaziel kassiert, ist für Lorenz Gösta Beutin von der Linksfraktion ein fatales Zeichen, gerade vor dem UN-Klimagipfel. »Die EU verpasst die goldene Chance, in der Klimapolitik eine globale Führungsposition einzunehmen«, erklärte er. Dass Merkel ihre »klimapolitische Blutgrätsche« jetzt auch in Brüssel durchziehe, zeige, dass sich die Bundesregierung endgültig vom Pariser Klimaabkommens verabschiedet habe.