nd-aktuell.de / 02.10.2018 / Politik / Seite 13

Erst Gartenschau, jetzt Rechtsrock?

Die thüringische Stadt Apolda soll als Ausweichort für Mattstedt nun für ein gut besuchtes Rechtsrockkonzert herhalten

Katrin Zeiß

Apolda. Am Renaissance-Rathaus von Apolda blühen die Blumen in den Kästen vor den Sprossenfenstern noch üppig rot. Wenn Bürgermeister Rüdiger Eisenbrand (Freie Wähler) aus dem Fenster seines Büros blickt, sieht er den hübsch sanierten Markt mit alten Bürgerhäusern, einem Brunnen, Cafés und Geschäften. Eisenbrand schaut sorgenvoll. Ausgerechnet vor der gelb getünchten Rathausfassade, an der ein Banner für Toleranz und bunte Vielfalt wirbt, wollen sich Anfang Oktober Tausende Rechtsextreme zu einem zweitägigen Rechtsrock-Festival versammeln. Für Bürgermeister und Stadtrat der 22 000 Einwohner zählenden Kreisstadt des Weimarer Landes ist das mehr als eine Provokation.

»Vor den Hassbotschaften, die ein solches Konzert transportiert, muss man die Bürger beschützen«, sagt Eisenbrand. Die Stadtratsfraktionen haben in einem offenen Brief die Landesregierung und Fraktionen im Landtag um Unterstützung gebeten, um das Konzert am 5. und 6. Oktober doch noch zu verhindern. Der Anmelder, ein Rechtsextremer aus Ostthüringen, hat das Konzert nach dem Versammlungsrecht als politische Kundgebung angemeldet. Verbote solcher Veranstaltungen sind zuletzt in Thüringen immer wieder gerichtlich gescheitert. Ein Bürgerbündnis hat zum friedlichen Protest aufgerufen.

Parallel zum geplanten Konzert in der Kreisstadt haben sich die Ultra-Rechten auch im 20 Autominuten entfernten Magdala, nahe der Autobahn 4, einen Ausweichplatz auf einem Privatgelände gesichert.

Vielen in Apolda sind noch die prachtvollen Bilder von der Landesgartenschau im vergangenen Jahr in Erinnerung, zu der mehr als 350 000 Besucher in die Stadt kamen. Jetzt sorgen sich Geschäftsleute um die Sicherheit ihrer Kunden, sollten Tausende Rechtsextreme zwei Tage lang die Stadt in Beschlag nehmen. »Ich mache so lange zu, das kann ich meinen Kunden nicht zumuten«, sagt eine Geschäftsfrau, die in ihren Räumen am Markt Protestflyer des Bürgerbündnisses ausgelegt hat.

Das geplante Konzert gilt als Ersatz für eine Rechtsrockveranstaltung, die die Behörden Ende August in Mattstedt verhindert hatten. In dem fünf Kilometer von der Kreisstadt entfernten 500-Seelen-Dorf war den Veranstaltern praktisch in letzter Minute die Nutzung eines ehemaligen Fabrikgeländes aus eigentumsrechtlichen Gründen untersagt worden.

Für die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen (Mobit) kommt es nicht überraschend, dass sich die Veranstalter nun Apolda ausgesucht haben. Die rechtsextreme Szene betreibe Kneipen in der Stadt und einen Online-Shop für Rechtsrock-CDs und Nazi-Devotionalien, habe eigene Immobilien und sei bestens vernetzt. »Dort, wo Rechtsextremisten über Immobilien verfügen, verfestigt sich die rechtsextremistische Szene«, sagt auch ein Sprecher des Thüringer Innenministeriums unter Verweis auf den aktuellen Verfassungsschutzbericht, der für den Freistaat von 835 Rechtsextremisten und einer höheren Zahl von Sympathisanten ausgeht.

In Apolda ist es in der Vergangenheit wiederholt zu rechtsextremen Vorfällen gekommen. Am 1. Mai 2017 waren 150 radikale Rechte aus mehreren Bundesländern an Ausschreitungen rund um den Bahnhof beteiligt. Sie waren auf der Rückfahrt von einer Demonstration in Halle (Sachsen-Anhalt) dort aus dem Zug gestiegen. Einige Jahre zuvor hatten ein Überfall auf den Apoldaer Faschingsumzug und die offene Bedrohung zweier Geschäftsfrauen durch radikale Rechte für Schlagzeilen gesorgt.

Auch wegen antisemitischer Provokationen gegen das Wohnhaus einer Apoldaer Familie, die im Holocaust ermordet worden war, hatte die Polizei zu ermitteln. Ein Verein hat aus dem Haus mit Unterstützung von Land und Kommune ein Begegnungszentrum gemacht und auch dafür gesorgt, dass in der Stadt inzwischen 70 Stolpersteine an NS-Opfer erinnern. Trotzdem muss er um Akzeptanz in der Stadt kämpfen, wie der Bürgermeister beobachtet. »Er verdient viel mehr öffentliche Anerkennung.«

Thüringen sei »wegen seiner zentralen Lage und seinen hier entstandenen Strukturen zu einer Hochburg für rechtsextreme Veranstaltungen geworden«, betont Innenminister Georg Maier (SPD) immer wieder. Mobit hat in den vergangenen Jahren 52 als politische Kundgebung angemeldete Konzerte gezählt. Eines davon im südthüringischen Themar wurde im vergangenen Jahr von rund 6000 Rechtsextremen besucht - es gilt als das bislang größte. dpa/nd