nd-aktuell.de / 05.10.2018 / Kultur / Seite 14

Erotik ins Spiel gebracht

Das Chamäleon-Theater zeigt die gewitzt inszenierte »Peepshow« der Künstlergruppe »Circa Coneporary Circus«

Lucía Tirado

Geschmeidige Synchronbewegungen zweier Artistinnen prägen das erste Bild der neuen Show im Chamäleon- Theater. Später wird deutlich, dass solche Harmonie den gesamten Abend charakterisiert. Zum dritten Mal gastiert hier die aus dem australischen Brisbane stammende Künstlergruppe »Circa Contemporary Circus«, eine der weltweit angesehensten Zirkuskompanien. Sie zählt zur Avantgarde der Szene und zeichnet sich dadurch aus, genreübergreifend Theater, Musik verschiedener Epochen, zeitgenössischen Tanz, Burleske, Pantomime und Artistik auf poetische Weise miteinander zu verweben. Die neue Arbeit »Peepshow« stellt das wieder unter Beweis. Die Musik ist gut gewählt. Nonverbales Spiel gezielt eingesetzt.

Die Show ist zum Staunen gemacht, der Titel von Yaron Lifschitz, dem künstlerischen Leiter, und seiner Co-Regisseurin Libby McDonnell schalkhaft gewählt. Die beiden stellen den Begriff »Peepshow« gewitzt auf den Kopf. Hier ist nichts für Gaffer gemacht. In einer ausgezeichneten Regie ohne jegliche Brüche im Ablauf offenbart sich bewegende Anmut bei hervorragender Artistik, verpackt in eine gut gemachte Choreografie.

Üblich ist, für solcherart Show jeweils eine Geschichte für den Ablauf zu erfinden. Allerdings wirkt sie hier nicht konstruiert. Das wird durch die von Jason Organ gestalteten Kostüme kräftig unterstützt. Man kann dem erdachten Ablauf folgen, muss es aber nicht, ohne Vergnügen einzubüßen. Verweist die Show im ersten Teil auf Zirkus und Jahrmarkt, wobei sich die Künstler herrlich schelmisch dem Publikum präsentieren, führt der zweite Teil zu Geschehnissen in einem Nachtclub. In diesen Szenen legt das Lichtdesign von Richard Clarke und Ori Lichtik gehörig zu. Es deuten sich in der Geschichte kurz Bilder von der Frau als hilfloses Objekt der Begierde an, die sich umgehend wieder auflösen. Vielmehr werden die Persönlichkeiten bei verspielter Erotik und gewitzt inszenierten Irritationen betont, wo die Akteure neben gemeinsamen Darbietungen jeweils ihren Solopart zeigen.

Von den Einzeldarbietungen ausgehend kommt es wiederum mit Circa zu schönen, die Gruppe verbindenden Bildern. Das gelingt beispielsweise sehr gut bei Hula-Hoops. Voller Poesie ist auch der Moment, in dem die allein sichtbare Artistin hinter schwarzem Tuch verborgene verlässliche Hilfe bekommt. In Aktion sind Ela Bartilomo (Tanz, Seil und Akrobatik), Jessica Connell (Hula-Hoops, Akrobatik), Scott Grove (Akrobatik), Nathan Knowles (Handbalancing, Kontorsion), Gerramy Marsden (Akrobatik), Giulia Scamarcia (Kontorsionshandstand, Luftring) und Billie Wilson-Coffey (Akrobatik, Tuch). Sie sorgen für 90 Minuten erstklassiger Zirkuskunst.

Kunst kümmert sich nicht um Grenzen; sie ist frei von Vorbehalten und Vorurteilen. Das machte das Chamäleon-Theater am erfolgreichen Premierenabend samt Publikum mit seiner Botschaft gegen Rechtspopulismus, Rassismus und Gewalt deutlich. Solcherart ablehnende Haltung gegen alles Fremde werde nicht von der Mehrheit in der Gesellschaft getragen, lautete die Botschaft. Kurzum: »Wir sind mehr!«

Di- Fr 20 Uhr, Sa 18 u. 21.30 Uhr, So 18 Uhr, Chamäleon Theater, Rosenthaler Straße 40/41 (Hackesche Höfe); chamaeleonberlin.com