nd-aktuell.de / 10.10.2018 / Politik / Seite 11

Angst um Recht auf Vogeljagd

Ratsmehrheit auf Baltrum will die Insel aus dem Nationalpark Wattenmeer herauslösen

Hagen Jung

Mit nur sechseinhalb Quadratkilometern Fläche ist Baltrum die kleinste der bewohnten ostfriesischen Inseln. Als »Dornröschen der Nordsee« beschreibt die Baltrumer Kurverwaltung im Internet das Heilbad. Warum, bleibt offen, denn mit 70 000 Urlaubern jährlich liegt das Eiland wohl kaum wie die Märchenprinzessin im Dauerschlaf. Zumal dieser Schlaf ab und zu durch das Knallen von Gewehrschüssen unsanft unterbrochen würde: Immer dann nämlich, wenn Jäger im Watt auf Vögel anlegen. Die Furcht, dass dieses umstrittene Waidwerk gesetzlich eingeschränkt werden könnte, mag die Mehrzahl der Baltrumer Kommunalpolitiker jetzt zu dem Vorstoß veranlasst haben, über den Austritt der Insel aus dem Nationalpark Wattenmeer nachzudenken.

Der Gedanke hat nun Gestalt angenommen in Form eines Antrages, der im achtköpfigen Gemeinderat von der Gruppe CDU/Wählergemeinschaft Baltrum 21 unterstützt wird. Ihr Ziel ist es, dass die Insel aus dem Nationalpark entlassen wird und stattdessen den Status eines Naturparks bekommt. Für einen solchen gelten weniger strengere Bestimmungen. Die vielen Nutzungen Baltrums durch Touristen und Einwohner passen nach Ansicht der Ratsgruppe nicht zu den Schutzzielen eines Nationalparks.

Aktueller Anlass für den Austrittswunsch dürfte ein noch immer schwelender Streit innerhalb der niedersächsischen SPD/CDU-Landesregierung sein. Im August hatte sich Umweltminister Olaf Lies (SPD) darüber geärgert, dass das Agrarministerium von Barbara Otte-Kinast (CDU) eigenmächtig die Jagdpachtverträge für landeseigene Flächen im Raum der Ostfriesischen Inseln auf neun Jahre verlängert hatte. Minister Lies hatte offenbar erwartet, dass dies mit seinem Ressort abgestimmt wird, unter anderem mit Blick auf das von Naturschützern geforderte Verbot der Vogeljagd im Watt. Sofern sich der Sozialdemokrat und die christdemokratische Agrarministerin doch noch einigen, könnte jene Jägerei durch einen Passus im Gesetz zum Nationalpark eingeschränkt werden - und damit auch auf der Insel Baltrum.

Die Austrittsabsicht der Inselpolitiker sorgt nicht nur auf der Nachbarinsel Langeoog für Verwunderung. Dort bezeichnet Bürgermeister Uwe Garrels (parteilos) den Baltrumer Vorstoß als »skurril«. Ein Verlassen des Nationalparks müsse als ein Schritt zurück betrachtet werden, zumal guter Naturschutz wichtig und wertvoll für die Inseln sei.

Auf ihnen und im Wattenmeer habe die Vogeljagd nichts zu suchen, bekräftigt Susanne Gerstner, Landesgeschäftsführerin beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Niedersachsen. Der Nationalpark Wattenmeer sei Drehkreuz für Hunderttausende Zugvögel, gibt sie zu bedenken. Und es erschließe sich nicht, wie die Vogeljagd dort mit der Grundsatzposition des Deutschen Jagdverbandes zusammen zu bringen ist, in der Jäger als Mittler zwischen Mensch und Natur, als Förderer von Artenschutz und biologischer Vielfalt agieren. Ein Abschuss von Zugvögeln konterkariere die Schutzziele des Nationalparks, erklärte Gerstner.

Ein Austritt aus dem Nationalpark dürfte allerdings nicht ohne Weiteres möglich sein. Immerhin sind die Gebiete, in denen die Regeln des Nationalparks gelten, durch ein niedersächsisches Landesgesetz festgelegt, betont die Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven. Und zu diesen Gebieten gehört auch die kleine Ostfrieseninsel.

Baltrums Bürgermeister Jann Bengen (CDU) indes sagte der »Nordwest-Zeitung«: Er und seine Mitstreiter hätten sich auf einen langen Weg eingestellt, an dessen Ende der Austritt aus dem Nationalpark stehe. Und: »Wenn alles nicht hilft, dann werden wir das Minderheitenrecht des friesischen Volksstammes einfordern.« Das beziehe sich auch auf die Jagd.