nd-aktuell.de / 13.10.2018 / Kultur / Seite 10

Wenn Blütenträume platzen

Bundesbank auf der Buchmesse

Karlen Vesper

Was hat die Deutsche Bundesbank auf einer Buchmesse zu suchen? Die von ihr ausgegebenen Scheine sind zwar auf Papier gedruckt ... »Nein, das ist Baumwolle«, klärt mich Manfred Ludwig von der 1957 gegründeten Institution auf, die ihren Hauptsitz unweit des Messegeländes in Frankfurt am Main hat. Dann zückt der Banker einen 200-Euro-Schein: »Fühlen Sie mal!« Die Note fühlt sich rau an. Ich erfahre, dass es sich um ein Exemplar neuer Geldscheine handelt, die im Mai nächsten Jahres in Umlauf gebracht werden. Die raue Faser ist eine der neuen Sicherheitsvorkehrungen, die Fälschern das Handwerk erschweren sollen.

Die Produktion eines Geldscheins koste zehn oder elf Cent. Von den 21 Milliarden in Europa kursierenden Euro wurde in den letzten Jahren allein die Hälfte von der Deutschen Bundesbank ausgegeben, sagt Ludwig. Weltweit sind 2,15 Billionen im Umlauf. Eine unvorstellbare Summe. Ich kapituliere. Der Finanzmensch nickt mitleidig-verständnisvoll und erläutert: Alle zehn bis zwölf Jahre haben die Fälscher die Codes geknackt, dann müssen sich die Experten der Zentralbanken neue Raffinessen ausdenken. »Die Wasserzeichen zu verändern, reicht nicht«, sagt Ludwig und wedelt mit dem 200er vor meinen Augen. »Was sehen Sie?« Die Farbe der Note changiert von Grün ins Gelb und Blau. »Diese wechselnden Farbtöne zu kopieren, ist schwieriger als bei den einfarbigen ersten Euro-Noten.« Sodann kramt Ludwig Geldscheine aus einem Kuvert. »Das sind die alten. Sie haben nur ein Hologramm.« Er hält den neuen 200er dagegen. Darauf ist ein Hologramm mit vier verschiedenen Elementen zu sehen. Ebenso auf verschiedenen Geldscheinen hinter einer Glasscheibe, vor der wir stehen. »Das Hologramm ist das Teuerste an der Banknote, aber dafür ist durch eine Handbewegung innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde festzustellen, ob man einen echten oder falschen Schein in der Hand hält.« Auch für die gestresste Lidl-Kassiererin? »Sie müsste es auch können«, meint Ludwig, dessen Begeisterung für die neuen, fälschungssicheren Noten nicht verebbt. Jetzt schwärmt er vom versetzten Sicherheitsfaden. Ich kann meine Verwunderung über die Offenheit des Bankers nicht mehr verbergen. Wieso erzählt er mir das alles frank und frei? Einer Journalistin. Muss er nicht befürchten, dass durch die Medien auch die Geldfälscher über die neuen Sicherheitsvorkehrungen in Kenntnis gesetzt werden? Seine Antwort verblüfft: »Das wissen sie sowieso schon.« Ich muss ihn wohl konsterniert angeschaut haben, denn er ergänzt: »Die sind doch nicht dumm. Aber sie müssen erst einmal dahinter kommen, wie sie das nachmachen können.«

Wie viele Blüten vagabundieren in Deutschland? Etwa 70 000, erfahre ich. Das weltweite Fälschungsaufkommen wird auf einen Gegenwert von etwa 600 000 Euro geschätzt. Sind andere Staaten sorgloser? Nein, aber in anderen Staaten wird der bargeldlose Zahlungsverkehr favorisiert. »Deshalb kennen die Leute nicht die Unterschiede zwischen einer echten und einer falschen Note.«

Den monetären Tricksern und Betrügern ist das Analysezentrum in Mainz auf der Spur. Wenn eine Fälscherbande dingfest gemacht ist, wird deren Equipment und Know-how untersucht, um den staatlichen Vorsprung in der Geldsicherheit auszubauen. Ludwig steckt den neuen 200er, dem sich im kommenden Frühjahr jungfräuliche 100er zugesellen werden, zurück in seine Jackeninnentasche. »Kann ich den Schein nicht zu Illustrationszwecken haben?«, frage ich. Er lacht: »Nein.« Schade.