nd-aktuell.de / 23.10.2018 / Politik / Seite 4

Ein Buch für die toten Flüchtlinge

Verlag veröffentlicht Liste mit Namen von verstorbenen Migranten

Peter Nowak

Zum Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 2018 soll im Berliner Hirnkost-Verlag ein Buch erscheinen, in dem die bekannten Namen von 35.000 Menschen aufgelistet sind, die in den vergangenen 25 Jahren an den europäischen Außengrenzen bei der Flucht ums Leben kamen. Auf den mehr als 300 Buchseiten sollen auch Kurzporträts von einigen der auf der Flucht Verstorbenen sowie Berichte von Überlebenden stehen. Zudem sollen in dem Band Stimmen aus der Zivilgesellschaft dokumentiert werden, die eine Abschottungspolitik ablehnen. Dazu gehört das Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, sowie das Kuratoriumsmitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte, Rolf Gössner.

Zusammengestellt wurde die Liste von der Organisation United for Intercultural Action in Amsterdam. Sie wurde bereits im »Tagesspiegel« online veröffentlicht. Dort ist die Schriftstellerin Anja Tuckermann darauf gestoßen. Gemeinsam mit der Münchner Journalistin Kristina Milz gehört sie zu den Herausgeberinnen des Buchs. »Ich weiß von Familien, dass sie ihre geflüchteten Angehörigen suchen. Für sie ist es schrecklich, dass sie oft keine Nachricht über ihr Schicksal haben«, begründet Tuckermann ihr Engagement für die Liste mit den Namen der toten Flüchtlinge. »Jeder dieser Toten war ein Mensch mit Träumen und nicht eine Nummer. Das wollen wir mit dem Buch deutlich machen«, betont Tuckermann. Über die meisten Betroffenen sind solche Daten allerdings nicht bekannt.

Der Tod des dreijährigen Aylan Kurdi aus Syrien sorgte vor drei Jahren für weltweites Entsetzen. Der Junge aus Syrien ertrank gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Mutter, als das Boot kenterte, mit dem die Familie über das Mittelmeer Europa erreichen wollte. Das Foto des kleinen Jungen mit dem roten Pullover und der blauen Hose wurde zum Symbol für die Unmenschlichkeit der Festung Europa und rückte für einige Tage das stille Sterben an den europäischen Außengrenzen in den Fokus. Doch drei Jahre nach Aylans Tod sind die Hürden für Geflüchtete noch höher geworden. Die EU-Staaten setzen weiterhin auf Abschottung.

Tuckermann und Milz wollen mit dem Buchprojekt auch ein Zeichen gegen die Ignoranz angesichts des Massensterbens an Europas Grenzen setzen. Die beiden Herausgeberinnen möchten damit eine Möglichkeit schaffen, an die Toten zu erinnern und um sie zu trauern.

Zudem erhoffen sie sich eine größere Unterstützung für Projekte zur Flüchtlingsrettung. Daher soll das Buch am 10. Dezember in einer großen Auflage kostenlos verteilt werden. Dabei setzten Tuckermann und Milz auf die Bereitschaft vieler Menschen, sich vor Ort für diese Ziele zu engagieren und Lesungen oder Veranstaltungen mit dem Buch in Theatern oder Bibliotheken zu organisieren. Um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, läuft im Internet noch bis zum 25. Oktober eine Crowdfunding-Kampagne.