nd-aktuell.de / 07.11.2018 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 15

Trump dreht an Irans Ölhahn

Die US-Sanktionen sind keine Gefahr für die globale Versorgung / Teheran exportiert weiter

Hermannus Pfeiffer

Irans Öltanker sind vom Radar verschwunden. Sämtliche Schiffe haben ihre Transponder abgeschaltet, mit denen ihre Bewegungen von den Seefahrtsämtern weltweit verfolgt werden können. »Es ist das erste Mal, dass ich eine vollständige Verdunkelung gesehen habe«, sagte Samir Madani vom Stockholmer Infodienst Tankertracker.com. Einzigartig sind auch die Sanktionen, mit denen die USA Iran an den Verhandlungstisch zwingen will. Die Zahlungsverkehrsorganisation Swift hat wegen der neuen Sanktionen bestimmten iranischen Banken den Zugang zu seinem Datenaustauschsystem gesperrt. Trumps Folterinstrumente zielen jedoch im Kern auf das Ölgeschäft.

Rohöl und Gas sind für die persische Wirtschaft von strategischer Bedeutung. Ihr Anteil an den Ausfuhren beträgt nach Angaben der deutschen Außenhandelsorganisation GTAI mehr als 60 Prozent. Die Petro-dollar sind ein dicker Posten in Teherans Staatshaushalt. Und sie dienen der Finanzierung des Imports von Luxusgütern für die Mittelschicht und für Lebensmittel der »kleinen« Leute.

Washingtons erklärtes Ziel ist es, den iranischen Ölexport auf null zu drücken. Daher verblüffte US-Außenminister Mike Pompeo mit der Ankündigung, dass acht Länder - darunter China, Indien, Japan, Südkorea, Taiwan und die Türkei - 180 Tage lang weiter Öl aus Iran importieren dürften. Pompeos Liste enthält überraschenderweise auch zwei Eurostaaten: Italien und Griechenland. Mit diesen Ausnahmen will die Trump-Regierung einen Ölpreisschock verhindern, der auch die Benzin-, Diesel- und Heizölpreise in den USA nach oben puschen könnte.

Erstaunen selbst unter Experten rief allerdings hervor, dass der Ölpreis Anfang der Woche weltweit spürbar sank. Analyst Jan Edelmann von der HSH Nordbank erklärt dies damit, dass »die Marktteilnehmer mit deutlich stärkeren Rückgängen des iranischen Angebots gerechnet haben«, einige sogar mit einem kompletten Ausfall.

Doch dies erklärt nicht, warum die längst absehbaren Zwangsmaßnahmen gegen eines der wichtigsten Ölexportländer nicht schon im Oktober die Preise dramatisch nach oben getrieben haben. Im Gegenteil: Der Ölpreis war sogar auf ein Sechs-Monats-Tief gefallen. Das lag wohl daran, dass sich die Mitglieder der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) im Sommer auf eine zunehmende Förderung verständigt hatten. Laut einer Umfrage erhöhte die OPEC ihre Produktion im Oktober auf über 33 Millionen Barrel (je 159 Liter) pro Tag: »Innerhalb von drei Monaten bedeutet dies einen Anstieg um eine Million Barrel«, so die Analysten der Commerzbank. Insbesondere Saudi-Arabien, das sich der Marke von elf Millionen Barrel nähert, die Vereinigten Arabischen Emirate und Libyen hätten ihre Förderung deutlich ausgeweitet. Der Produktionsrückgang im krisengeschüttelten Venezuela und jetzt auch in Iran falle daher kaum ins Gewicht.

Auch in Nicht-OPEC-Staaten wie Russland und den USA wird mehr gefördert. Beide Länder bringen es laut offiziellen Schätzungen aktuell auf eine Tagesfördermenge von rund elf Millionen Barrel.

Im Vorfeld der US-Sanktionen gegen Iran hatte Saudi-Arabien zudem angekündigt, seine Förderung nochmals steigern zu wollen. Auch die USA, die seit wenigen Jahren mehr Energierohstoffe aus- als einführen, wollen ihre Exporte verstärken. Russland wäre ebenfalls in der Lage, seine Ausfuhren weiter zu erhöhen. Allerdings kooperiert Präsident Wladimir Putin im Syrien-Konflikt eng mit Teheran.

Die Ölexporte des OPEC-Mitglieds Iran waren im Oktober auf 1,5 Millionen Barrel pro Tag zurückgegangen, meldet das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsstudien. Zuvor flossen um die 2,5 Millionen Barrel. Teherans finanzielles Minus im Ölgeschäft betrug damit im Oktober umgerechnet rund zwei Milliarden Euro. HSH-Analyst Edelmann rechnet mit einem weiteren Rückgang der iranischen Exporte auf eine Million Barrel Anfang nächsten Jahres.

Ob Trump den Ölhahn wirklich ganz zudrehen kann, wird von Experten bezweifelt. Irans wichtigster Kunde China hatte sich schon in der Vergangenheit über Sanktionen hinweggesetzt. Außerdem dürften iranische Firmen »illegal« über Drittstaaten nach Afrika und Asien Erdöl verkaufen.

Allerdings kann Iran seine großen Tankschiffe natürlich nicht wirklich verstecken. Moderne Satellitenbilder ersetzen leicht die klassische Radarpeilung.