nd-aktuell.de / 05.12.2018 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 15

Mehr Rechte für Fernfahrer

EU-Verkehrsminister wollen Lkw-Fahrer vor Ausbeutung und Spediteure vor unfairer Konkurrenz schützen

Ines Wallrodt

Fahrer, die über Monate in der Lkw-Kabine leben und täglich weit über die erlaubte Stundenzahl fahren - zahlreiche Berichte über katastrophale Arbeitsbedingungen von Fernfahrern in Europa haben den Druck erhöht, die Regeln für den Gütertransport auf der Straße zu verschärfen. In der Nacht zum Dienstag haben sich nun die EU-Verkehrsminister mehrheitlich auf ein Gesetzespaket geeinigt, das zwei Millionen Fernfahrer vor Ausbeutung und Spediteure vor unfairer Konkurrenz zu schützen verspricht. Nach stundenlangen Verhandlungen setzten sich damit Länder wie Frankreich und Deutschland gegen die überwiegend osteuropäischen EU-Länder durch. Vor allem Rumänien, Polen und Bulgarien fürchten, dass ihre Speditionen künftig weniger Aufträge bekommen, wenn sie die Fracht nicht mehr billiger durch Europa transportieren können. Aber auch aus Österreich kamen zuletzt Vorschläge etwa zur Verkürzung der Ruhezeiten, die Gewerkschaften alarmiert hatten.

Die Einigung hält fest, dass Lkw-Fahrer, die außerhalb des Ursprungslandes ihres Arbeitgebers eingesetzt werden, künftig den Status eines »entsandten Arbeitnehmers« haben und somit zu gleichen Bedingungen wie ihre Kollegen im Einsatzland arbeiten. Ausgenommen davon sind Lieferungen in ein anderes Land mit weniger als drei Halten zum Be- und Entladen. In diesem Fall muss nicht der jeweils gültige Mindestlohn gezahlt werden. Diese Ausnahme könnte ein Einfallstor für fortgesetztes Lohndumping werden. Denn Speditionen könnten nun versuchen, ihre Touren so zu planen, dass sie die Löhne doch unterlaufen - selbst wenn die Fahrer einen Großteil ihrer Arbeitszeit beispielsweise in Deutschland unterwegs sind.

Zusätzliche Regeln sollen bei der Kabotage gelten - die liegt dann vor, wenn etwa ein polnisches Transportunternehmen innerhalb Deutschlands Waren oder Pakete ausliefert. Erlaubt bleiben maximal drei Fahrten innerhalb einer Woche. Nach der EU-Einigung müssten Fernfahrer nun zudem zwischen zwei Aufträgen eine »Abkühlphase« von mindestens fünf Tagen einhalten. Außerdem muss der Dienstplan eines Fahrers es zulassen, dass er mindestens alle vier Wochen in sein Heimatland zurückkehrt. Grenzübertritte sowie die Orte des Ladens sollen ab 2024 mit einem intelligenten Fahrtenschreiber automatisch überwacht werden.

Die Verkehrsminister wollen zudem verbieten, dass die Fahrer ihre wöchentliche Ruhezeit in der Lkw-Kabine verbringen. Ihre Speditionen müssten demnach für angemessene Unterkünfte sorgen. Das gilt jedoch nicht für die Übernachtung nach einer regulären Tagesschicht.

Der Transportsektor war gegen den Widerstand der Gewerkschaften aus der EU-Entsenderichtlinie ausgeklammert worden. Die Kommission hatte argumentiert, dass für Kraftfahrer besondere Bedingungen herrschen. Der DGB äußerte sich am Dienstag in seiner Bewertung zurückhaltend gegenüber »nd«. »Trotz einiger Abmilderungen der vollkommen inakzeptablen Vorschläge der österreichischen Ratspräsidentschaft sind die Probleme im Verkehrssektor damit noch lange nicht aus dem Weg geräumt«, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Die Hoffnungen der Kritiker ruhen nun auf dem Europaparlament, das dem Mobilitätspaket zustimmen muss. Kommentar Seite 10