nd-aktuell.de / 08.12.2018 / Kultur / Seite 9

Deutsche Kriegsräte

Im Deutschen gibt es Wörter, die mehrere Bedeutungen haben. Zum Beispiel aufschieben. Man kann damit ausdrücken, man wolle etwas durch Schieben öffnen, und dies sogar, indem man einen Riegel (von dem es auch mehrere Bedeutungen gibt; man kann ihn in Schokoladenform auch essen!) zurückschiebt. Oft wird aufschieben allerdings metaphorisch verwendet - im Sinne von hinauszögern oder vertagen.

In der Politik ist solcherart Aufschieben eine sehr verbreitete Methode, um Probleme jeglicher Art nicht lösen zu müssen. Etwa das Problem der Altersarmut. Der Kandidat für den CDU-Vorsitz Friedrich Merz meinte zu Beginn dieser Woche, der Kauf von Aktien sollte steuerlich begünstigt werden, damit die Bürger dieses Landes Aktien kaufen, damit sie später ihren Ruhestand mit dem Verkauf der Wertpapiere finanzieren könnten.

Am besten, man schiebt den Aktienkauf aber auf, denn die Sache hat einen Haken: Wenn man dereinst wütend ist, weil die Aktien, die man in jungen Jahren erworben hat, nur noch wenig wert sind, kann Friedrich Merz nicht mehr dafür zur Rechenschaft gezogen werden.

Selbst wenn der Angestellte der größten Fondsgesellschaft der Welt nicht CDU-Vorsitzender werden sollte (die Abstimmung auf dem Parteitag erfolgte nach Redaktionsschluss dieser Seite), muss uns eines klar sein: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Machen wir uns nichts vor: In Deutschland wurde schon immer das meiste, was von Politikern aufgeschoben wurde, irgendwann doch brutaler Ernst. Am 8. Dezember 1912 erklärte der sogenannte Kriegsrat im Deutschen Kaiserreich auf einer geheimen Sitzung, dass der als unvermeidlich angesehene Krieg gegen Frankreich, England und Russland um 18 Monate aufgeschoben werde. jam Foto: ddp/Marcus Brandt