nd-aktuell.de / 17.12.2018 / Berlin / Seite 9

Linkspartei bestätigt Katina Schubert als Landesvorsitzende

Delegierte des Landesparteitags wählten Vorstand neu / Unterstützung von Enteignungsvolksbegehren zu Wohnungskonzernen beschlossen

Martin Kröger

Eine konkurrierende Kandidatur gab es nicht. Mit einem sehr guten Ergebnis von 84 Prozent Zustimmung der 169 anwesenden Delegierten wurde Katina Schubert am Samstag auf dem Landesparteitag in Berlin-Adlershof als Landesvorsitzende der Berliner Linkspartei bestätigt. Das Ergebnis zeigt eindrücklich, dass der integrierende Kurs der alten und neuen Landesvorsitzenden in der Partei geschätzt wird, auch ihre Präsenz bei den zahlreichen laufenden Arbeitskämpfen in der Stadt zahlt sich offenbar aus. »Wir sind präsent, wo es brennt in der Stadt«, sagte eine zufriedene Katina Schubert nach der Wahl dem »nd«. Der gesamte Landesvorstand habe versucht, möglichst viele Parteimitglieder einzubinden.

Vor der Wahl hatte Schubert in einem kurzen Bewerbungsstatement auf die »erfolgreichen vergangenen zwei Jahre« ihrer Arbeit verwiesen. »Ich will dazu beitragen, die Partei als strategisches Zentrum zu stärken«, sagte sie. Zum Beginn der Parteiversammlung hatte Schubert darüber hinaus erneut für die Kooperation mit den sozialen Bewegungen in der Stadt geworben und die Bedeutung der Linkspartei in den laufenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen sowie gegen den Rechtsruck herausgestellt. Zur Wohnungsfrage sagte Schubert: »Wir müssen alle landespolitischen Spielräume nutzen, um die Mietenspirale zu durchbrechen.«

Um der Forderung radikal Nachdruck zu verleihen, beschlossen die Delegierten der Linkspartei mit großer Mehrheit eine Unterstützung und Einbringung in das geplante Volksbegehren »Deutsche Wohnen und Co. enteignen«. »Wir wollen nicht alle enteignen, die eine Wohnung haben oder ein Haus besitzen, aber wir wollen, dass das Grundgesetz gilt: Eigentum verpflichtet!«, sagte Schubert. Wobei einer Vergesellschaftung über das Grundgesetz ein Novum ist, der bislang in der Bundesrepublik noch nicht beschritten wurde und der möglicherweise nicht ganz einfach durchzusetzen sein wird. In weiteren Beschlüssen setzte sich die LINKE unter anderem für einen Beitritt Berlins ins Netzwerk der solidarischen Städte, den Solidarity Citys ein, die Geflüchteten einen sicheren Hafen bieten.

Als Stellvertreter wurden von den Delegierten im Landesvorstand die Sozialpolitikerin Sandra Brunner (71 Prozent) aus Pankow und der Wissenschafts- und Bildungsexperte Tobias Schulze (73 Prozent) aus Mitte bestätigt. Auch der Landesgeschäftsführer Sebastian Koch wurde wiedergewählt (78 Prozent). Neu gewählt in den Landesvorstand wurde als dritter Vize Pascal Meiser (64 Prozent) aus Friedrichshain-Kreuzberg. Der Gewerkschaftspolitiker und Bundestagsabgeordnete will nach eigener Aussage helfen, die Partei durch bevorstehende schwierige Situationen zu bringen. Damit dürfte Meiser vor allem auf die Bewegung »Aufstehen« von Sahra Wagenknecht abgezielt haben, die ansonsten auf der Parteiversammlung in Berlin kaum eine Rolle spielte. »Ich will, dass die LINKE im Kampf gegen Rechts klare Kante zeigt und wir Bündnisse wie 'Unteilbar' weiter unterstützen«, sagte Meiser. Entscheidend sei letztlich das, was die Partei beschlossen habe.

In seinem Grußwort hatte sich auch der Bundesvorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, ebenfalls lediglich indirekt zu »Aufstehen« geäußert. Zur Migrationsfrage sagte Riexinger: »Die LINKE muss in dieser Frage völlig klar sein.« Dass die Diskussion zu »Aufstehen« nicht offen geführt wird, erklärte ein erfahrendes Parteimitglied dem »nd« damit, dass die Debatte »sehr kontrovers« verlaufen würde und es deshalb vermieden werde, darüber offen zu sprechen. Den Berliner Landesverband lobte der Bundesvorsitzende Riexinger in seiner Rede derweil als »vorbildlich«, weil er mit der Kampagne »Recht auf Stadt« zeige, dass Wohnen niemals Spekulationen und Profitinteressen untergeordnet werden dürfe. Auch die Bundesebene unterstützt deshalb den Ansatz zur Enteignung von großen privaten Wohnungsunternehmen.

Einigen Raum nahmen auf dem Parteitag Grußworte und Redebeiträge von Initiativen ein. Neben unter anderem den Flüchtlingsunterstützern der Seebrücke und von Sea-Watch sowie der stadtpolitischen Initiative Kotti und Co. wurden auch die aktuell streikenden Physiotherapeuten der Charité Physiotherapie- und Präventionszentrum GmbH (CPPZ) auf die Bühne gebeten. Dass die LINKE trotz der Regierungsbeteiligung von den außerparlamentarischen Gruppen als Interessenvertreter gesehen und quasi als »parlamentarischer Arm« anerkannt wird, erklärte der Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Udo Wolf, mit der selbstkritischen Regierungsarbeit. »Wir machen einiges anders, einiges besser als in der ersten Regierungsphase von Rot-Rot, wir gehen kritischer mit uns selber um«, betonte Wolf. Dadurch erkläre sich auch der stabile Vorsprung von Rot-Rot-Grün in Berlin in den Umfragen, in denen das Mitte-links-Bündnis von den Meinungsforschungsinstituten seit Längerem bei ungefähr 55 Prozent gemessen wird, während die rechte Opposition von CDU, FDP und AfD 20 Prozent dahinter liegt.

Medial überschattet wurde die Parteiversammlung, die am Sonntag mit zahlreichen inhaltlichen Anträgen fortgesetzt werden sollte, durch die Erklärung des Abgeordneten Hakan Taş. Der bekannte Linkspartei-Politiker war in der Nacht vor dem Parteitag von Polizisten bei einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss festgesetzt worden, nachdem er in einen Unfall verwickelt gewesen sein soll. Taş ließ in einer Erklärung mitteilen: »Nach einer emotional aufwühlenden Reise in die Türkei habe ich gestern einen großen Fehler gemacht. Ich bereue zutiefst, gestern alkoholisiert Auto gefahren zu sein.« Die sich daraus ergebenden Konsequenzen werde er tragen, so der Innenexperte der Linksfraktion. Taş kündigte an, seine Sprecherposten bis auf weiteres ruhen zu lassen.