nd-aktuell.de / 31.12.2018 / Berlin / Seite 10

Mehrheit ist von Böllerei genervt

In Berlin wächst der Widerstand gegen das alljährliche Silvesterfeuerwerk

Marie Frank

Pünktlich zu Silvester kommen auch in diesem Jahr wieder die alljährlichen Warnungen vor Feuerwerkskörpern. Besonders die dadurch entstehende Feinstaubbelastung ist Umweltschützer*innen ein Dorn im Auge. Rund 4500 Tonnen Feinstaub werden laut Umweltbundesamt in diesem Jahr zu Silvester erwartungsgemäß freigesetzt. Ballungszentren wie Berlin sind davon besonders betroffen.

Die Deutsche Umwelthilfe fordert daher einen generellen Stopp von Feuerwerken in besonders luftverschmutzten Städten. Auch das Umweltbundesamt rät zu einem weitgehenden Verzicht. Ärzte warnen vor gesundheitlichen Schäden und rufen dazu auf, weniger Feuerwerk einzusetzen oder ganz darauf zu verzichten. Kleine Kinder, Senioren und chronisch Kranke litten zu Beginn des neuen Jahres besonders häufig unter Husten und Atembeschwerden und es komme vermehrt zu Krankenhauseinlieferungen. Doch nicht nur Menschen leiden unter der Silvesterknallerei, sondern auch Vögel und andere Wildtiere, mahnt der Berliner Naturschutzbund.

Auch die Berliner*innen sind von der Böllerei zu Silvester zunehmend genervt. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag der »Berliner Zeitung« finden 62 Prozent die Knallerei mittlerweile zu viel. Bei den 30- bis 44-Jährigen sind es sogar 71 Prozent. Bei Jugendlichen ist das Zündeln zum Jahreswechsel jedoch nach wie vor beliebt: 53 Prozent der 18 bis 29-Jährigen finden die Böllerei in Ordnung. Doch nicht nur zwischen den verschiedenen Altersgruppen gibt es Unterschiede: Laut Umfrage ist die Zustimmung im Westen der Hauptstadt etwas größer als im Osten und bei Berlinern weiter verbreitet als bei Berlinerinnen.

Doch nicht alle wollen für das Spektakel am Nachthimmel auch Geld ausgeben: Nur jede*r fünfte Berliner*in gab in der Umfrage an, Feuerwerk kaufen zu wollen. Während die Bereitschaft im Osten der Stadt etwas höher ist als im Westen, ist sie bei den 18- bis 29-Jährigen am höchsten, wo sich jede*r Dritte mit Raketen, Knallern und anderem eindecken will. Zum Vergleich: Bei den über 60-Jährigen ist es nur jede*r Achte. Die Kaufbereitschaft hängt dabei stark vom Einkommen ab: Bei Menschen mit einem monatlichen Nettoeinkommen von über 3000 Euro ist sie fast doppelt so hoch (32 Prozent) wie bei denen, die weniger verdienen (15 Prozent). Insgesamt greifen die Berliner*innen für Silvesterfeuerwerk nicht allzu tief in die Tasche: Die Mehrheit der Kaufwilligen (54 Prozent) will nicht mehr als 20 Euro ausgeben, rund ein Drittel plant mit bis zu 50 Euro und nur vier Prozent der Befragten ist bereit, mehr als 100 Euro zu investieren.

Während andere Städte wie Hannover privates Böllern in Innenstädten bereits untersagt haben, ist Berlin noch nicht so weit. Die rot-rot-grüne Landesregierung hätte zwar gern schon dieses Jahr weitergehende Verbotszonen eingerichtet, laut dem LINKEN-Abgeordneten Niklas Schrader verbiete jedoch das Bundessprengstoffgesetz den Bezirken, die Böllerei ganz zu untersagen. Darum wolle man auf Bundesebene aktiv werden. Die Gewerkschaft der Polizei Berlin lehnt ein stadtweites Verbot hingegen ab, weil die Kontrollen nicht geleistet werden könnten. Auch ein Verkaufsverbot sieht sie kritisch, weil dann mehr auf den illegalen Bereich zurückgegriffen werde.

Noch darf in Berlin also hemmungslos geböllert werden. Unzählige Clubs laden zur Silvesterfete, die größte Party steigt auch in diesem Jahr wieder zwischen am Brandenburger Tor. Vom 31. Dezember ab 18 Uhr bis zum 1. Januar um sieben Uhr morgens ist das Zünden von Feuerwerk offiziell erlaubt - mit entsprechenden Risiken. »Böller werden von manchen inzwischen wie Waffen benutzt. Es gibt Straßen, die sollte man an Silvester meiden«, beklagt etwa der Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel (Grüne).

Um das Schlimmste zu verhindern sind im gesamten Stadtgebiet 1389 Feuerwehrleute und 150 DRK-Kräfte im Einsatz. Auch die Polizei ist mit einem Großaufgebot vertreten: Im vergangenen Jahr waren an Silvester 1800 Beamt*innen unterwegs. Ab zwei Uhr nachts kommt dann das große Reinemachen: 150 Fahrzeuge der Stadtreinigung und 600 Helfer*innen sind auf Berlins Straßen, um die Feuerwerksreste einzusammeln. Ganze 450 Kubikmeter Müll waren das im letzten Jahr. Mit Agenturen