nd-aktuell.de / 31.12.2018 / Berlin / Seite 9

Wenn Schwarzfahren nicht mehr strafbar wäre

Generalstaatsanwältin Koppers befürwortet, den Straftatbestand der Beförderungserschleichung abzuschaffen

Andreas Fritsche

»Das kommt dabei heraus, wenn man Spitzenpositionen nach Gesinnung besetzt«, schimpft der Abgeordnete Holger Krestel (FDP). Der Grund für seinen Ärger ist Berlins Generalstaatsanwältin Margarete Koppers, die Schwarzfahren entkriminalisieren will. »Die zahlenden, ehrlichen Kunden der öffentlichen Verkehrsmittel sollen also in Zukunft für die Betrüger mitzahlen und die Verkehrsbetriebe müssen als Folge davon den bisher freien Zugang massiv abschotten«, warnt Krestel.

Dabei sind in anderen Metropolen Sperren, die das Schwarzfahren unmöglich machen, längst gang und gäbe: Es gibt sie beispielsweise bei der Metro in Paris, New York oder Barcelona. Auch in Berlin könnte es dazu kommen, sollte Generalstaatsanwältin Koppers mit ihrem Vorstoß erfolgreich sein. Der »Berliner Morgenpost« sagte sie, dass sie die Idee befürworte, Schwarzfahren nicht länger zu bestrafen. Der Straftatbestand gehört ihrer Ansicht nach abgeschafft. In der Vergangenheit hatte sich bereits der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) für mildere Strafen für Schwarzfahrer ausgesprochen, und auch Innensenator Andreas Geisel (SPD) meinte, es genüge, Schwarzfahren lediglich als Ordnungswidrigkeit und nicht weiter als Straftat zu behandeln. Der Aufwand, den die Justiz gegenwärtig mit den Schwarzfahrern habe, stehe in keinem vernünftigen Verhältnis zur Tat.

Die Generalstaatsanwältin ist jedoch der Ansicht, dass eine Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit die Gerichte nicht wirklich entlasten würde. Denn die Amtsgerichte müssten sich dann »doch noch mit den Einspruchsverfahren herumschlagen«, wird sie in der »Berliner Morgenpost« (Samstag) zitiert.

Amtlich gesprochen handelt es sich beim Schwarzfahren um das Erschleichen einer Beförderungsleistung. Wer erwischt wird, muss 60 Euro Strafe zahlen. Wer mehrfach erwischt wird und partout nicht zahlt, dem droht Gefängnis. Um dies zu ändern, müsste im Strafgesetzbuch der Paragraf 265a geändert werden. Das kann nur der Bundestag tun. Doch die rot-rot-grüne Senatskoalition denkt über eine Bundesratsinitiative nach. In diesem Falle könnte sie Unterstützung von der rot-roten Regierung in Brandenburg erhalten. Zumindest die LINKE wäre dafür, sichert der Landtagsabgeordnete Volkmar Schöneburg zu. Er war früher brandenburgischer Justizminister und setzte sich dafür ein, dass die Ersatzfreiheitsstrafen für Schwarzfahren und andere Bagatelldelikte wie kleinere Ladendiebstähle abgeschafft werden. Nach Schöneburgs Rücktritt Ende 2013 hatte sich der neue Justizminister Stefan Ludwig (LINKE) ebenfalls an diese Linie gehalten. Die Bemühungen seien leider im Sande verlaufen, weil es dafür keine politische Mehrheit gegeben habe, bedauert Schöneburg.

Wie groß die Widerstände sind, zeigt die wütende Reaktion des Berliner Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) auf den Vorstoß von Generalstaatsanwältin Koppers. Rissmann schäumt: »Schwarzfahren legalisieren zu wollen, bedeutet eine gefährliche Verlotterung unseres Rechtssystems. Warum sollte man sich dann überhaupt noch einen Fahrschein kaufen?« Wer die Justiz entlasten wolle, müsse sie personell stärken und technisch aufrüsten und dürfe sie nicht durch die Abschaffung von Straftatbeständen in Frage stellen.