nd-aktuell.de / 12.01.2019 / Politik / Seite 17

Hängen Sie die Tafel wieder auf!

Zaklin Nastic an Polens Regierung und den Wojewoden von Lublin

Zaklin Nastic

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Wojewoda Przemysław Czarnek,

Anlässlich des sich zum 100. Mal jährenden Tags der Ermordung Rosa Luxemburgs schreibe ich diesen Brief. Bis zum März letzten Jahres erinnerte eine Gedenktafel in Zamość an diese außergewöhnliche, in Polen geborene Persönlichkeit, auf die die polnische Bevölkerung und Regierung stolz sein müssten. Auf der Gedenktafel, die an der Fassade des Hauses, in dem Rozalia Luksenburg mit ihrer Familie lebte, angebracht war, stand, dass sie hier 1871 geboren und eine herausragende Vertreterin der internationalen Arbeiterbewegung gewesen sei.

Dass diese Gedenktafel auf Geheiß des Wojewoden der Region Lublin entfernt wurde, macht in einer demokratischen Weltöffentlichkeit Angst - welche viel größer ist als die, die vom »Kommunismus« noch übrig ist!

Am 1. April 2016 beschloss das polnische Parlament ein Gesetz zum »Verbot der Propaganda für den Kommunismus«, das den lokalen Behörden vorschreibt, Straßennamen und Denkmäler mit einer Verbindung zu allen linken Traditionen zu beseitigen. Dieses Gesetz bekundet auch keinerlei Respekt vor jenen Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern gegen den Faschismus, derer sich heute alle Völker rühmen. Außer ausgerechnet unser polnisches Volk? Man muss wahrhaft kein Linker sein, um stolz auf diese kleine, jüdische Frau zu sein, auf ihre Beiträge zur humanistischen Bildung und Kultur, zur Kritik der politischen Ökonomie, zur Kunst und Literatur, zur parlamentarischen Demokratie und vor allen Dingen: auf den Einsatz ihres Lebens für das Ende des Völkergemetzels.

Auch für Nichtjuden und Kommunismuskritiker bleiben Antisemitismus und Antikommunismus lebensgefährliche Bedrohungen für die Zivilisation und uns alle. Denn, ob wir wollen oder nicht: Jüdische Kulturen, die Französische Revolution und ihre bürgerliche Rechtskultur und die Oktoberrevolution mit den sozialstaatlichen Standards wirken in uns fort. Wenige haben das so wahrhaftig und anmutig verkörpert wie die außergewöhnliche Demokratin Rosa Luxemburg. Das irrwitzige Geschrei der Naziführer von der »jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung«, mit dem sie über 30 Millionen jüdischstämmiger, anderer sowjetischer, polnischer und auch deutscher Menschen abgeschlachtet haben, sollte auch bei Ihnen als Mindestmaß an antifaschistischer Konsensgründung im Ohr bleiben, um sich wieder den großen demokratischen Traditionen Europas und Polens zuzuwenden, um das Andenken an diese wundervolle Frau weiter zu pflegen. Gerne besuche ich Sie in Zamość oder Warschau, um zivilisiert und strittig im Geiste Rosa Luxemburgs mit Ihnen weitere Argumente auszutauschen. Aber zunächst, bitte, lassen Sie die Gedenktafel wieder anbringen!

Mit freundlichen Grüßen: Zaklin Jadwiga Sarah Nastic, geboren Grinholc