nd-aktuell.de / 26.01.2019 / Kommentare / Seite 17

Mittwochs nie!

Simon Poelchau gibt Hinweise zum Ausfüllen eines Lottoscheins

Simon Poelchau

Zugegeben: Rational ist es nicht. Man kann eher hoffen, Bundeskanzler oder ein gefeierter Filmstar zu werden - all das ist allemal wahrscheinlicher, als im Lotto den Jackpot zu knacken. Rechnerisch müsste man 140 Millionen mal Lotto spielen, um einmal sechs Richtige mit Zusatzzahl zu tippen, beim Eurojackpot immerhin 96 Millionen mal. Trotzdem: Kauft mehr Lose!

Rennt Woche für Woche zum Kiosk. Vielleicht habt ihr ja dieses Mal Glück. Es ist für Normalsterbliche der letzte Strohhalm, den man greifen kann, um in den Kreis der rund 1,3 Millionen Millionäre zu gelangen, die die Unternehmensberatung Capgemini 2018 in Deutschland zählte. Durch ehrliche Arbeit reich zu werden, könnt ihr vergessen, Bitcoins auch. Und der Traum vom Start-up, das man für viel Geld an einen Investor verkauft, ist nur der für BWL-Studenten konfektionierte Traum vom glücklichen Tellerwäscher.

Um reif zu sein fürs Lotto, braucht ihr nicht den Wunsch zu haben, wie FC-Bayern-Profi Franck Ribéry vergoldete Steaks zu essen oder mit der Jacht in St. Tropez zu ankern. Da könnt ihr bescheidener sein. Es reicht der Wunsch, den Wecker für immer ausstellen zu können, der einen nach jedem viel zu kurzen Wochenende erbarmungslos an den Arbeitszwang erinnert. Schließlich braucht man dafür eine Summe X, ab der man nicht mehr für sein Geld arbeiten muss, sondern sein Geld für einen arbeitet. Sechs Richtige könnten euch diesen Wunsch - rein theoretisch - erfüllen.

Fast - aber eben nur fast - so sicher, wie ihr Woche für Woche zum Kiosk rennt, werdet ihr jedes Mal enttäuscht. Kauft das Los also möglichst früh. Nicht, dass dies die Gewinnwahrscheinlichkeit erhöhen würde. Aber es gibt euch mehr Zeit. Mehr Zeit fürs Herumspinnen - was wäre wenn? Ein Häuschen am Stadtrand oder doch eine Penthousewohnung? Was täte man mit all der gewonnenen Zeit? Welche Bekannten ließen sich vom Vermieter befreien? Klar ist das im Grunde egoistisch. Es geht nicht darum, den Kapitalismus abzuschaffen, sondern ihm individuell zu entrinnen. Doch ist in dieser Fantasie ein Körnchen Subversion: Das Lottospielen entkoppelt den Traum vom guten Leben von der Ideologie, man müsse (und könne) sich das »verdienen«.

Nur eins ist dabei wichtig: Um nicht zu hart in der Realität zu landen, dürft ihr auf gar keinen Fall mittwochs spielen, sondern müsst auf die Wochenendziehungen setzen. Dann kann man wenigstens einmal ausschlafen, bevor am Montag der Wecker erbarmungslos an den Arbeitszwang erinnert und den Spruch des Allzweckphilosophen Slavoj Žižek aufruft: »Ihr hasst nicht Montage, ihr hasst den Kapitalismus!«