Der Ofen ist fast aus

Empfehlungen der Kohlekommission wirken sich regional aus - auch Berlin ist betroffen

Die Zahl der Brennstoffhändler, die in der Bundeshauptstadt auch Braunkohlebriketts der Marke »Rekord« aus der Lausitz führen, ist in den vergangenen Jahren massiv zurückgegangen. In Ostberlin findet sich übers Internet gerade einmal noch ein Händler, der mit »Ihr Partner, wenn’s um Kohle geht« wirbt. Der Hintergrund für den Niedergang des Brennstoffhandels ist natürlich der Rückgang der Wohnungen, die mit Kohleöfen geheizt werden.

»Bei uns in Kreuzberg gibt es gerade noch drei Häuser, die nicht saniert wurden, und wo die meisten Wohnungen mit Kohleöfen beheizt werden«, heißt es seitens der »Kiezkehrer«, des lokalen Schornsteinfegermeisterfachbetriebs. Berlinweite Zahlen zu Öfen sind indes schwer zu recherchieren. Im Bestand der öffentlichen Wohnungen befanden sich Ende November vergangenen Jahres noch fast 2000 Wohnungen, die über Öfen verfügten. Die Ofenheizung an sich ist zwar ein Randphänomen, in den Ausstiegsszenarien für die Kohle und die aktuelle Kohleausstiegsdebatte spielen sie dennoch eine Rolle.

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»Auch in diesen Haushalten muss umgestellt werden, damit einhergehend muss möglichst sozial verträglich energetisch saniert werden«, sagt Eric Häublein vom Bündnis Kohleausstieg Berlin. Laut rot-rot-grünem Koalitionsvertrag will Berlin bis spätestens 2030 aus der Kohle aussteigen. Das letzte mit Braunkohle aus der Lausitz befeuerte Berliner Kraftwerk Klingenberg wurde bereits im Mai 2017 auf Gas umgestellt. In der Metropole laufen aber noch drei Steinkohlekraftwerke. Auch die will der Betreiber Vattenfall auf Erdgas umstellen. »Das Kraftwerk Reuter C soll 2020 folgen, danach die Kraftwerke Moabit und Reuter West«, sagt Vorstandschef Magnus Hall. Eine entsprechende Machbarkeitsstudie, wie das gelingen soll, wird derzeit vom Senat erarbeitet. Ergebnisse werden für dieses Jahr erwartet.

»Wir müssen mittelfristig zu einer hundertprozentigen erneuerbaren Wärmeerzeugung kommen«, fordert Eric Häublein vom Bündnis Kohleausstieg. Das Bündnis strebt einen Ausstieg aus der Kohle deutlich vor 2025 an - fünf Jahre früher, als es der rot-rot-grüne Senat plant.

Die gerade vorgestellten Vorschläge der Kohlekommission für den Kohleausstieg in der Bundesrepublik haben zu den Berliner Ausstiegsszenarien keinen unmittelbaren Bezug. Doch der Strukturwandel in der Lausitz hat mit Berlin zu tun. Denn durch die Verkehrsanbindungen sollen neue Pendelrouten aufgebaut werden, die unter anderem den Fachkräftemangel in Berlin verringern helfen sollen.

»In die Region werden viele Milliarden Euro fließen. Das ist sehr gut, es darf aber nicht nach Gießkannenprinzip und wahllos ausgegeben werden«, sagt Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). »Wir brauchen klare Prioritäten für Schiene, Straße, Wissenschaft, Forschung und Kultur.« Der Ministerpräsident nennt die Ergebnisse der Kohlekommission gut für Brandenburg und die Lausitz, gut für Klimaschutz, Energiesicherheit und akzeptable Strompreise.

Das Gute sei, dass der Einstieg in den Ausstieg beginnt, findet die Lausitzerin Hannelore Wodtke, die selbst in der Kohlekommission saß. Leider blockierten die Länder Brandenburg und Sachsen, »wo es nur ging«, beschwert sie sich . Es sei nicht möglich gewesen, den Erhalt des von Abbaggerung bedrohten Lausitzdorfs Proschim im Endbericht der Kommission festzuschreiben. Offensichtlich lasse sich Ministerpräsident Woidke seine Politik vom tschechischen Energiekonzern EPH diktieren. Denn die Lausitzer Energie AG, die zum EPH-Konzern gehört, solle weiterhin selbst erst 2020 entscheiden, ob sie den Braunkohletagebau Welzow-Süd II noch aufschließt. Von dieser Position rücke die Landesregierung keinen Millimeter ab, beklagte Wodtke. Dem Tagebau Welzow-Süd II müsste das Dorf Proschim weichen. Wodtke hegt allerdings die Hoffnung, dass Proschim bleiben kann.

Nach Einschätzung von Brandenburgs Grünen-Landeschef Clemens Rostock haben Ministerpräsident Woidke und Chefunterhändler Matthias Platzeck, der vor Woidke Ministerpräsident war, »ihren Beitrag dazu geleistet, dass der Ausstiegspfad aus der Lausitzer Kohle im Ungefähren bleibt«. So werde offen gelassen, ob der Tagebau Welzow-Süd II noch komme. »Damit müssen die Einwohner von Proschim weiter bangen, ob ihr Dorf abgebaggert werden soll«, sagt Rostock.

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