nd-aktuell.de / 09.02.2019 / Politik / Seite 10

Mythos Gebärmaschine

Wir kommen nicht weiter, wenn wir die Diskussionen über Schwangerschaftsabbrüche wieder bei null beginnen, meint Paula Irmschler

Paula Irmschler

Diskussionen zum Thema Schwangerschaftsabbruch - ach, warum eigentlich nicht? Es ist 2019, und wir haben ja sonst nichts zu tun, als wieder und immer wieder durchzukauen, was längst erkämpft wurde und zivilisatorischer Standard sein sollte. Und so geht es natürlich nie nur darum, wie man Verbesserung anstreben kann - aktuell wäre das eine Änderung der Gesetzeslage, um für Frauen und Ärzte einfachere Bedingungen zur Durchführung von Abbrüchen zu schaffen. Nein, es geht immer auch ums Prinzip, um das Überhaupt, und dann fängt man mit dem ganzen Kram wieder von vorn an und kommt nicht weiter, weil man sich nie um Konkretes, sondern um Grundsätzliches kümmern muss. Dabei ist der Anstoß zur aktuellen Debatte durchaus sehr konkret: Es geht darum, ob § 219a es zulässt, dass Ärzte wirklich ausreichend informieren können. Es geht darum, ob Frauen Zugang zu Informationen bekommen, wo und wie sie Abbrüche durchführen lassen können. Oder ob beide Parteien durch die Gesetzeslage bevormundet werden.

Stattdessen wird thematisiert, ob Schwangerschaftsabbrüche überhaupt moralisch zu rechtfertigen sind - und nicht selten werden dann die Spätabbrüche nach der zwölften Woche ins Spiel gebracht, obwohl diese gar nicht Gegenstand der aktuellen Debatte sind. Und so müssen Frauen sich wieder rechtfertigen, ganz gleich, ob sie Abbrüche schon vornehmen lassen haben oder nicht, ob sie mit dem Gedanken spielen oder nicht. Immer wieder hört man Frauen und Männer sagen, es sei »eine schwere Entscheidung«, »keine Frau macht sich die Entscheidung leicht« und so weiter. Es ist eine defensive Haltung, weil man um die Angriffe weiß. Aber so ist es nicht: Nicht wenigen Frauen fällt es sehr wohl leicht. Doch der Mythos der um die nicht ausgetragene Schwangerschaft trauernden Frau ist nicht totzukriegen. Immer wieder werden Studien bemüht, die zeigen sollen, dass Frauen nach einem Abbruch traumatisiert sind. Doch es gibt keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen Abbruch und Depression, vielmehr ist es so, dass die meisten Frauen erleichtert sind, wie von Erica Millar in ihrem Buch »Happy Abortions« nachgewiesen wurde.

Aber wir werden nicht aufhören können, um Selbstverständliches zu kämpfen und uns zu verteidigen, wenn wir die Diskussionen wieder bei null beginnen und Frauen weiterhin als Gebärmaschinen betrachten, deren größtes Ziel die Mutteridentität ist. Einige Frauen wollen keine Kinder oder keine weiteren. Fertig. Frauen sind nicht alle gleich und sind nicht programmiert auf die »Empfängnis«. Sie sind vernunftbegabte Wesen, die individuelle Entscheidungen treffen und damit unterschiedlich umgehen. Dieser Umstand scheint noch immer nicht überall angekommen zu sein; und aktuelle Diskussionen zeigen, dass zu viele noch diesen misogynen Mythen unterliegen. Diese endlich hinter uns zu lassen, ist jedoch Voraussetzung für jede weitere Debatte.