nd-aktuell.de / 14.02.2019 / Berlin / Seite 12

Clubs fürchten Verdrängung

Berliner Musikkulturstätten stellen Studie zu ihrem Zustand und Gewinnen vor

Marion Bergermann

Eine russische Popband singt mit weiß-schwarz geschminkten Gesichtern und Perücken auf den Köpfen darüber, wie ein Mann in einem Schwulenclub seine Ehefrau anruft. Die Bässe wummern, die Lichter schweifen durch den Raum, doch dort, wo normalerweise ausgelassen getanzt wird, stehen akkurate Stuhlreihen.

Die Clubcommission Berlin, Interessenvertretung der Clubs in der Hauptstadt, hat an diesem Dienstagabend im »Schwuz« (SchwulenZentrum) ihre Studie zum Zustand der Musikkulturstätten in der Stadt vorgestellt. Nach der Performance der Popband »Sado Opera« wird es dann ernst auf der Bühne. Die Berliner Clubs haben ein ähnliches Problem wie Mieter*innen: Sie sorgen sich darum, verdrängt zu werden. In der Studie gaben die befragten Betreiber*innen als ihr wichtigstes Anliegen den Schutz vor Verdrängung an.

71 Prozent von ihnen wünschten sich, dass etwas dagegen getan wird, gefolgt von dem Wunsch nach mehr finanzieller Förderung und Änderungen im Lärmschutz. So haben Betreiber*innen etwa mit Bauherren zu kämpfen, die bei potenziellen Lärmschutzmaßnahmen nicht kooperieren wollen. Außerdem sorgt die dichtere Bebauung von bisher freien Flächen in der Stadt für mehr potenzielle Lärmbeschwerden von Anwohner*innen. Auf der Bühne fragt Lukas Drevenstedt, kaufmännischer Geschäftsführer der Clubcommission: »Was für eine Innenstadt will man?« Er zeigt dazu auf der Leinwand Fotos von Großbauprojekten wie der Mercedes Benz Arena oder der East Side Mall. Einige Buhrufe aus den Stuhlreihen folgten. »Es geht um Vielfalt, auch in Bezug aufs Publikum«, betont Drevenstedt.

Des Öfteren heißt es, dass jene, die diese Vielfalt in Stadtteile bringen, Künstler*innen und Clubs, schuld seien an Gentrifizierungsprozessen. Weil diese ein Viertel attraktiver machten und Leute mit mehr Geld nachzögen.

Für Kultursenator Klaus Lederer (LINKE), der zur Studienvorstellung ins »Schwuz« gekommen war, stimmt das nicht. »Die steigenden Mietpreise haben ihren Grund in Kapitalanlage-Bestrebungen, das ist nicht durch die Clubs verursacht. Nicht diejenigen, die versuchen, Vielfalt und Kreativität in den Stadtteilen zu etablieren, sind schuld an der Kapitalverwertung. Sie sorgen nur dafür, dass diese in dem Sektor attraktiv wird, aber das Problem ist die Kapitalverwertung.«

Die neue Studie zeigt außerdem, dass die Clubs und Veranstalter mit musikprogramm-bezogenem Profil ein ernstzunehmender Wirtschaftszweig in der Stadt sind. 280 von ihnen gibt es demnach momentan. Deren direkter Gesamtumsatz betrug vorletztes Jahr 168 Millionen Euro brutto. Durchschnittlich machte im Jahr 2017 ein Club 600 000 Euro Umsatz. Zudem erwirtschaftete die Hälfte der Clubs einen Gewinn.

Fördereinnahmen spielen für die Summen, die die Clubs einspielen, kaum eine Rolle. Die Erlöse kämen zu 60 Prozent von Getränken und zu 21 Prozent vom Eintritt, sagte Medienwissenschaftler Klaus Goldhammer, der die Studie vorstellte. Daran zeigt sich, dass die Clubs nicht viel finanzielle Unterstützung der Stadt bekommen, obwohl Berlin auch wegen seines Feierangebots für Tourist*innen attraktiv ist.

Diese bringen anderen Sektoren ebenso Geld ein. »Es gibt Bereiche wie den Einzelhandel, die profitieren«, sagt Drevenstedt von der Clubcommission. So beziffert die Studie den Gesamtgewinn durch Tourismus im Jahr 2017 auf rund 1,5 Milliarden Euro. Und von den 13 Millionen Tourist*innen hatten 23 Prozent vorletztes Jahr angegeben, wegen des Nachtlebens gekommen zu sein.

Die in Berlin übliche Touristenhäme kritisieren die im »Schwuz« anwesenden Mitglieder der Veranstaltungsszene. Pamela Schobeß, Vorsitzende der Clubcommisson und Betreiberin des Clubs »Gretchen«, befand: »Kreativität braucht Input von außen«, unter den Touristen kämen auch Kulturschaffende. Auch generell bringe es nichts, Touristen blöd zu finden. Mag das Phänomen des Partytourismus in den letzten Jahren angestiegen sein, die Studie belegt, dass die meisten Feiernden in der Region leben. Zwei Drittel der Clubbesucher*innen wohnen nämlich in Berlin und Brandenburg.

Drevenstedt ist es außerdem wichtig zu betonen, dass Clubkultur kein Synonym für elektronische Musik sei. »Das musikalische Genre ist erst einmal nicht das Entscheidende«. Rock, Punk oder Reggae gehörten genauso dazu.