nd-aktuell.de / 11.03.2019 / Berlin / Seite 9

Gutachten: Enteignen ist machbar

Entschädigung dürfen nach Auffassung eines Juristen den Verkehrswert der vergesellschafteten Wohnimmobilien unterschreiten

Martin Kröger

«Wir haben es immer gesagt», schrieb die Initiative «Deutsche Wohnen und Co. enteignen» am Samstag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Und: «Enteignung ist rechtmäßig, und zwar mit Entschädigung deutlich unter Marktwert.» Hintergrund der Aussagen der Initiatoren des bald beginnenden Volksbegehrens zur Enteignung von Wohnungskonzernen mit mehr als 3000 Wohnungen ist ein neues juristisches Gutachten, über das das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» in seiner aktuellen Ausgabe berichtet. Demnach ist eine Vergesellschaftung von Wohnungskonzernen nicht nur vom Artikel 15 des Grundgesetzes gedeckt. Sondern der vom Senat beauftragte Verfassungsrechtler Reiner Geulen kommt in seinem 21-seitigen Kurzgutachten auch zu der Feststellung, dass die «festzulegende Entschädigung den Verkehrswert der vergesellschafteten Wohnimmobilien deutlich unterschreiten» dürfe, so das Hamburger Nachrichtenmagazin. Das Kurzgutachten soll bei Innensenator Andreas Geisel (SPD) vorliegen, der für die rechtliche Prüfung von Volksbegehren und deren Anliegen zuständig ist.

Innerhalb von Rot-Rot-Grün dürfte die Expertise neue Diskussionen auslösen. Bei der Linkspartei, die das Volksbegehren unterstützt, wird die Einschätzung Geulens als «gute Nachricht» gewertet. «Das eröffnet uns neue juristische Spielräume, um zu einem politischen Preis zu kommen, mit dem die Deutsche Wohnen und andere entschädigt werden», sagte die Landesvorsitzende der LINKEN, Katina Schubert, dem «nd». «Wir haben kein Interesse, Spekulationserwartungen noch zu entschädigen, es muss um reale Werte gehen.»

Die LINKE glaubt auch, dass sich die bisherige Ablehnung der Koalition zum Thema Enteignung ändern könnte. «Ich bin mir sicher, dass das eine sehr erfolgreiche Kampagne wird und die Unterschriften sehr schnell zusammen kommen», sagte Schubert. «Dann wird sich die SPD dazu verhalten müssen.»