nd-aktuell.de / 16.03.2019 / Politik / Seite 3

Die Mörder kamen zum Freitagsgebet

Dutzende Tote und Verletzte nach mutmaßlich rechtsextremen Angriffen in zwei Moscheen in Neuseeland.

Barbara Barkhausen

Neuseelands Bevölkerung steht unter Schock. Dutzende Menschen sind am Freitag in Christchurch während zwei Angriffen in Moscheen verletzt worden - mindestens 49 Menschen kamen dabei ums Leben. Alle öffentlichen Gebäude und Schulen wurden daraufhin abgeriegelt. Insgesamt wurden vier Menschen in Polizeigewahrsam genommen, einer davon, der zwar ebenfalls mit einer Waffe festgenommen wurde, ist eventuell nicht beteiligt gewesen.

Polizeikommissar Mike Bush bezeichnete die Situation als »sehr ernst« und riet den Menschen, in ihren Häusern zu bleiben. Premierministerin Jacinda Ardern nannte die Attacke einen bisher »beispiellosen Gewaltakt« für Neuseeland. »Dies ist einer von Neuseelands dunkelsten Tagen«, sagte Ardern. Sie betonte, dass viele Einwanderer gestorben seien, die in den Moscheen ihr Freitagsgebet sprachen. »Sie sind Teil von uns«, betonte sie, die Attentäter hingegen seien es nicht.

Im Internet kursierte ein Video, das ein vermeintlicher Angreifer aufgenommen haben soll, der die Attacke mit einer Kamera an seinem Helm über 17 Minuten lang filmte und live im Internet übertrug. Der Schütze war mit mindestens einer halbautomatischen Schusswaffe bewaffnet, auf die weiße Schriftzüge geschrieben gewesen sein sollen. Das Video - falls authentisch - zeigt, wie der Attentäter bei der al-Noor-Moschee vorfährt, sein Auto parkt und mit einer Waffe in die Moschee hineingeht. Bereits im Eingang schießt er sein erstes Opfer nieder.

Der Mann, der in dem Video behauptet, der Attentäter zu sein, hat zudem ein über 70-seitiges Manifest online gestellt. Dort bezeichnet er sich als weißen, 28 Jahre alten, in Australien geborenen Mann. Er beschreibt die Motivation für seinen Angriff als »anti-islamisch«, betont aber, dass er damit auch ein grundsätzliches Zeichen gegen Immigration setzen wolle. »Ich bin nur ein normaler weißer Mann aus einer normalen Familie«, schreibt er darin. Er empfinde keinen Hass gegen Muslime in ihrer Heimat, aber gegen diejenigen, die andere Länder »einnehmen« würden und gegen Menschen, die zum Islam konvertierten. Außerdem äußerte er Sympathien für andere extremistische Attentäter wie Anders Breivik. Der australische Premierminister Scott Morrison beschrieb den Täter und seinen Angriff als »gewalttätig, extremistisch und rechtsradikal«. Die Polizei hat die Authentizität des Videos bisher nicht bestätigt. Die Bürgermeisterin von Christchurch, einer Metropole auf der neuseeländischen Südinsel mit 350 000 Einwohnern, sagte, sie sei geschockt: »Ich hätte nie erwartet, dass so etwas in Christchurch, geschweige denn in Neuseeland, passieren könnte.« Ein Bürger aus Christchurch, den der »Guardian« nur als Mike bezeichnete, sagte, er habe Angst und sei entsetzt. »Das verändert für immer, wie Neuseeländer über ihre Heimat denken.«

Neuseelands letztes Massaker, bei dem 13 Menschen sowie der Attentäter starben, ereignete sich 1990 in Aramoana in der Nähe von Dunedin. 2016 warnte ein Waffenexperte, dass sich eine Tragödie wie die in Aramoana wiederholen könne, da nicht bekannt sei, wer 95 Prozent aller Schusswaffen im Land besitze, weil es kein zentrales Register gebe. Wurde das Erstarken von Rechtsaußen übersehen?

Neuseeland rühmt sich normalerweise seiner multikulturellen Gesellschaft und galt bisher als freundliches und friedliches Land. In Neuseeland leben 4,8 Millionen Menschen. Insgesamt ist nur etwa ein Prozent der Bevölkerung muslimischen Glaubens. Premierministerin Jacinda Ardern bewarb vor kurzem erst noch ihre Politik der Fürsorge. Im Mai will sie das weltweit erste Haushaltsbudget »zum Wohlergehen« der Gesellschaft einführen. So hofft sie auch, Extremisten die Luft aus den Segeln zu nehmen.

Unter Umständen wurde jedoch unterschätzt, wie stark die rechtsextreme Szene in Neuseeland wirklich ist. Im Februar warnte ein Autor des neuseeländischen Onlinemediums »The Spinoff«: »Übersehen wir das Erstarken von Rechtsaußen?« Darin schilderte der Autor die »verärgerten Männer mittleren Alters, die den Nationalismus in Neuseeland auf dem Vormarsch sehen wollen«. Die Gesamtzahl der Beteiligten sei gering, doch viele von ihnen hätten sich bereits in Facebook-Gruppen zusammengeschlossen. Hier würden sie Nachrichtenartikel austauschen und ihre Sorge um eine »bevorstehende muslimische Invasion« zum Ausdruck bringen.