nd-aktuell.de / 23.03.2019 / Berlin / Seite 25

Raus aus dem Krisenmodus

Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten kämpft gegen den Kollaps.

Marie Frank

Lange Schlangen von Hunderten Flüchtlingen, die auf ihre Registrierung warten, überforderte Mitarbeiter*innen, Verträge mit dubiosen Hostelbetreiber*innen, gewalttätige Security: Im Jahr 2015, als die Zahl der in Berlin ankommenden Flüchtlinge ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte, wurde das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) über die Grenzen Berlins hinaus zum Inbegriff des Behördenversagens. Um aus den negativen Schlagzeilen herauszukommen, gründete die damalige rot-schwarze Landesregierung im Sommer 2016 aus dem LAGeSo heraus das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), das seitdem für die Registrierung und Unterbringung der Geflüchteten zuständig ist. Zweieinhalb Jahre später zieht Berlins jüngste Behörde Bilanz - haben sich die Hoffnungen auf ein Ende des Chaos erfüllt?

Obwohl mittlerweile weniger Flüchtlinge in Berlin ankommen, kommt das LAF nicht zur Ruhe. Waren es im Jahr 2015 noch 55 000 Schutzsuchende, reduzierte sich deren Zahl auf rund 7200 im vergangenen Jahr. Zurzeit sind es etwa 600 Neuankömmlinge pro Monat. Die meisten von ihnen kommen aus Syrien, Irak, Afghanistan und seit dem gescheiterten Putschversuch zunehmend auch aus der Türkei. Insgesamt leben in Berlin 22 000 Menschen in den Unterkünften des LAF - halb so viele wie noch vor vier Jahren. Trotzdem klagen Mitarbeiter*innen immer wieder über Überlastung und schlechte Arbeitsbedingungen. Erst im Mai 2018 musste LAF-Präsidentin Claudia Langeheine nach nicht einmal zwei Jahren ihren Posten räumen, nur ein halbes Jahr später warnte der Personalrat der Behörde in einem Brandbrief vor einem personellen Kollaps.

Der neue LAF-Präsident Alexander Straßmeir ist trotzdem zufrieden. Nicht nur, weil er seinen rund 450 Mitarbeiter*innen in Zukunft 106 neue Kolleg*innen zur Seite stellen kann, auch sonst laufe mittlerweile vieles besser als noch zu LAGeSo-Zeiten resümiert er: Die Notunterkünfte und Hostels sind unterdessen alle geschlossen und auch das viel kritisierte Ankunftszentrum in den Tempelhofer Hangars ist Geschichte. Seither werden die neu in Berlin ankommenden Geflüchteten in der Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne in Spandau untergebracht, ab Ende April dann auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Reinickendorf. Zwar dauert es eher zwei Wochen statt der angepeilten drei Tage, bis die Geflüchteten registriert und erstuntersucht sind, doch das alles ist weit entfernt von den chaotischen Zuständen im LAGeSo, als die Menschen teilweise tagelang im Freien übernachteten, bis sie endlich einen Termin bekamen.

Also ist jetzt alles gut beim LAF? »Das wird sich noch zeigen«, meint Martina Mauer vom Flüchtlingsrat Berlin. »Es mag sein, dass man mittlerweile zum rechtstaatlichen Prozedere zurückgekehrt ist, aber die grundsätzlichen Probleme des Ankunftszentrums bleiben bestehen.« So hätten die Geflüchteten zu wenig Zeit, sich auf ihre Anhörung vorzubereiten und auch die Verfahrensberatung sei nicht richtig konzipiert. »Warum gibt es dort keine Rechtsberatung? Das ist zwingend notwendig«, so Mauer. Dass nun endlich mehr Personal eingestellt werden soll wird zwar begrüßt, aber: »Die Menschen müssen auch erst mal gefunden und eingearbeitet werden.« Das dauert bei den Berliner Behörden bekanntermaßen eine Weile. »Wenn ich den Großteil der Stellen bis Jahresende besetzt habe, wäre das gut«, sagt Behördenchef Straßmeir.

Für Roland Tremper, der bei ver.di für das Landesamt zuständig ist, kann es bei der Einstellung des neuen Personals nicht schnell genug gehen. »Die 106 Stellen kommen ohnehin sehr spät«, findet er. Der Gewerkschafter hofft, dass die Behörde durch die personelle Verstärkung in ruhigeres Fahrwasser kommt und die Mitarbeiter*innen dann endlich die dringend benötigten und immer wieder aufgeschobenen Qualifikationsmaßnahmen wahrnehmen können. Wie wichtig die sind, weiß auch Straßmeir. Rund 60 Prozent seiner Mitarbeiter*innen seien fachfremdes Personal, erzählt er. Umso größer sei jedoch deren Motivation. Darüber ist auch Roland Tremper immer wieder überrascht: »Die Menschen im LAF haben einen hohen Anspruch an ihre Arbeit, sind aber jahrelang völlig alleine gelassen worden.«

Die Ursache dafür sieht der Gewerkschafter in der »überhasteten Teilung des LAGeSo«. Diese sei »völlig falsch« gewesen und habe sich sowohl für die Beschäftigten als auch für die Betroffenen »verheerend« ausgewirkt: »Es war falsch, eine Behörde, die gerade anfing, einigermaßen zu funktionieren, völlig neu zu strukturieren«, findet er. Viele der älteren und erfahrenen Mitarbeiter*innen, die den jungen Kolleg*innen hätten helfen können, seien im LAGeSo geblieben. »Die Spaltung hat nur der Politik genutzt, die den Vorteil gesehen hat, dass das LAGeSo dann nicht mehr in aller Munde ist, weil es anders heißt.«

Auch Sozialsenatorin Elke Breitenbach (LINKE) hatte die Spaltung der Behörde unter ihrem Vorgänger stets kritisiert. Mittlerweile sieht sie das LAF jedoch auf einem guten Weg: »Als ich mein Amt antrat, war das LAF in einer sehr schwierigen Personalsituation. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten eine harte Zeit«, so Breitenbach gegenüber »nd«. Durch die neuen Stellen werde das Amt deutlich gestärkt und das Personal spürbar entlastet. Doch ist das wirklich so? Marco Olbrich, Vorsitzender des LAF-Personalrates ist dankbar für die neuen Kolleg*innen, warnt aber vor zu hohen Erwartungen: »Natürlich hilft das erst mal, aber eigentlich ist es nur ein Tropfen auf den heißen Stein.« Angesichts der wachsenden Aufgaben sei in Zukunft noch sehr viel mehr Personal nötig. Etwa für die gesamtstädtische Steuerung, in deren Rahmen künftig alle wohnungslosen Menschen - mit oder ohne Fluchthintergrund - in die Unterkünfte des LAF ziehen sollen. Bis es soweit ist, kann es allerdings noch eine Weile dauern und die neuen Mitarbeiter*innen sind längst eingearbeitet.