Herantasten an den Sozialismus

Jusos diskutieren linke Perspektiven

  • Alina Leimbach
  • Lesedauer: 3 Min.

In den USA hat die Umdeutung bereits stattgefunden. Ausgerechnet im Modellland der kapitalistischen Wirtschaftsweise ist es mittlerweile cool, sich als Sozialist*in zu bezeichnen. Zum Erfolg beigetragen haben nicht zuletzt der unverzagte Umgang des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders sowie der Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez mit dem Begriff. Ihr Erfolg: Sie haben Sozialismus wieder als positiven Begriff des solidarischen und demokratischeren Miteinanders positioniert.

Auch die Berliner Jusos versuchen nun, die Debatte in Deutschland in Fahrt zu bringen. Auf ihrem Sozialismuskongress am Wochenende ging es ganz konkret um die Frage: Was verstehen wir unter demokratischem Sozialismus eigentlich? Wie könnte man das umsetzen? Für die Berliner Juso-Chefin Annika Klose ist klar: »Demokratischer Sozialismus sollte nicht auf dem Misthaufen der Geschichte landen, wir müssen daran weiterarbeiten.« Auch die rund 200 Teilnehmer*innen des Kongresses haben wenig Berührungsängste mit dem Thema. Sie sehen die positiven Potenziale, distanzieren sich aber ausdrücklich von einem Staatssozialismus mit autoritären Zügen wie in der DDR. Stattdessen versuchen sie das Thema in verschiedenen Workshops in konkrete politische Forderungen zu übersetzen. Beispiele: Mitbestimmung der Arbeitnehmer*innen in allen Betrieben und in allen Entscheidungsgremien, auch für die, die bislang davon nichts haben, wie etwa Angestellte kirchlicher Arbeitgeber*innen.

Der Juso-Bundesvorsitzende Kevin Kühnert zeigt sich zum Thema Sozialismus im Gespräch mit der LINKEN-Chefin Katja Kipping zurückhaltender: »Wir haben es mit vielen Menschen zu tun, für die nicht der demokratische Sozialismus die Utopie ist, sondern erst einmal ein funktionierendes Rentensystem schon viel darstellt.« Für diese sei es schon ein revolutionärer Akt, wenn die Privatisierungen und Sparmaßnahmen in der Altersvorsorge oder im Gesundheitswesen überwunden werde. Die Verantwortung der Jusos und der SPD sieht Kühnert darin, zu sagen was eigentlich getan werden müsse. »Wenn wir beschreiben, was wir wollen, gibt es oft Zustimmung. Wenn wir stattdessen einen Oberbegriff verwenden, sind es oft Abwehrreaktionen. Dann ist man für viele gleich wieder bei der DDR.«

Ein Verständnis, das LINKEN-Chefin Katja Kipping nicht teilt. In der Debatte betonte sie vor allem das Potenzial »revolutionärer Realpolitik« nach Rosa Luxemburg. »Wir können im Hier und Jetzt die Brückenköpfe für eine demokratischere und sozialere, eine sozialistische Gesellschaft bauen.« Verbesserungen müssten ihrer Meinung nach im Parlament und außerhalb erkämpft werden - und mit einer linken Regierungsmehrheit. Bei den konkreten politischen Maßnahmen sind sich die LINKE und der Juso dann gar nicht so uneins: »Viele können sich damit identifizieren, wenn man Güter der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Mobilität, Wohnen, Krankenversorgung und Pflege Marktmechanismen entzieht«, so Kühnert. In den USA sind es auch diese Themen, die den Begriff Sozialismus wieder sexy gemacht haben.

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