nd-aktuell.de / 28.03.2019 / Politik / Seite 5

Nicht alles soll auf die Schiene

Rheinland-Pfälzer Genossen der Bahngewerkschaft stellen sich gegen Rüstungstransporte

Hans-Gerd Öfinger

Die Güterverkehrstochter der Deutschen Bahn, DB Cargo, transportiert auch Rüstungsgüter. Dagegen stellte sich nach »nd«-Recherchen nun die alljährliche Wahlkreiskonferenz der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) Rheinland-Pfalz. Mitte vergangener Woche verabschiedete die Konferenz in Ingelheim am Rhein mit klarer Mehrheit den von 23 Delegierten unterzeichneten und eingebrachten Initiativantrag »EVG gegen Militarisierung und Kriegsvorbereitung bei der Deutschen Bahn«.

Dieser Beschluss enthält eine Aufforderung an die gewerkschaftlichen Gremien, »sich gegen die im Rahmenfrachtvertrag zwischen der Deutschen Bahn und der Bundeswehr vereinbarten Kriegsvorbereitungen (...) durch die Deutsche Bahn zu positionieren«. Bundestagsabgeordnete aus den Reihen der EVG- und anderer DGB-Gewerkschaften werden aufgefordert, den Rahmenfrachtvertrag »in den parlamentarischen Gremien zu thematisieren und die Umsetzung zu verhindern«. Zudem werden die Betriebsräte und gewerkschaftlichen Vertrauensleute aufgefordert, »aufzuklären und zu mobilisieren, sich dieser Militarisierung zu verweigern«, so der Wortlaut.

Der Ende 2018 abgeschlossene Rahmenfrachtvertrag für internationalen Schienenverkehr zwischen der Deutschen Bahn und der Bundeswehr sieht vor, binnen weniger Tage Panzer und Container mit Rüstungsgütern aus Deutschland nach Litauen und somit an die Grenze zu Russland zu verlegen. Laut Bundesverteidigungsministerium hält DB Cargo 300 Waggons und Lokomotiven vor, um damit jährlich mehr als 1300 Transporte durchzuführen. Insgesamt sollen dieses Jahr etwa 9700 Soldaten, 150 Kettenfahrzeuge, 3300 Radfahrzeuge, 1500 Anhänger und 1370 Container nach Osten verlegt werden, ein großer Teil davon auf der Schiene. Unternehmen der polnischen und litauischen Staatsbahnen wurden als Subunternehmen verpflichtet. Dass diesen Transporten oberste Priorität eingeräumt wird und somit Vorrang vor dem Personenverkehr, könnte in der ohnehin schon angespannten Lage mit vielen überlasteten Streckenabschnitten Verzögerungen bei Zügen des Personennah- und Fernverkehrs auslösen.

»Diese Vorbereitungen für einen militärischen Aufmarsch gen Osten sind politisch eine gefährliche Entwicklung und tragen zur weiteren Vertiefung der Konfrontation mit Russland bei«, heißt es in der Antragsbegründung. »Die Deutsche Bahn begibt sich damit in die Tradition ihrer Rechtsvorgänger vor dem 1. und 2. Weltkrieg.« Nach der Kündigung des INF-Abrüstungsabkommens durch US-Präsident Donald Trump seien »solche Kriegsspiele fahrlässig«, heißt es in der Begründung des Beschluss weiter.

Antragsstellerin Evelyn Winkler verlangte in Anlehnung an die Umweltaktivistin Greta Thunberg von ihrer Gewerkschaft den »Mut, auch Dinge zu sagen, die viele nicht wahrhaben wollen«.

Sie erinnerte daran, dass der EVG-Gewerkschaftstag im November 2017 feierlich das Ergebnis einer langjährigen wissenschaftlichen Arbeit über den Widerstand von Eisenbahnern in der Zeit von 1933 bis 1945 präsentiert habe. »Wenn dieses Buch nicht nur für Historiker und die Regale hergestellt worden sein soll, dann heißt dies für uns Gewerkschafter heute, die richtigen Lehren daraus zu ziehen«, so ihre Aufforderung. »Wir dürfen unsere Arbeitskraft und unser Fachwissen eben nicht für kriegerische Aufmarschpläne und Auseinandersetzungen zur Verfügung stellen, sondern ausschließlich für Frieden und Wohlstand aller Menschen«, erklärte Winkler. »Wir wollen mehr Güter von der Straße auf die Schiene verlagern, aber nicht Panzer und Kanonen«, so die Gewerkschafterin. »Anstatt den Militärhaushalt auf zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts aufzustocken, sollte dieses Geld in eine vernünftige Verkehrspolitik gesteckt werden«, verlangte sie und verwies auf Artikel 26 Grundgesetz, der die Vorbereitung und Führung eines Angriffskrieges für verfassungswidrig erklärt.

Adressat des Beschlusses ist der EVG-Bundesvorstand. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Burkert, der neben seinem Mandat auch dem Geschäftsführenden EVG-Vorstand angehört, hatte sich jüngst in einem Schreiben an ein EVG-Mitglied zu Artikel 26 bekannt und zugesagt, er werde »in diesem Sinne ein waches und kritisches Auge auf militärische Entwicklungen in unserem Land haben.«