nd-aktuell.de / 01.04.2019 / Politik / Seite 8

Pöbelbraut

Die Komikerin Idil Baydar will sich von Drohungen von Nazis nicht einschüchtern lassen

Samuela Nickel

»Falls ich erschossen werden würde von einem NSU 2.0 oder 8.0 oder wie viele Nachfolger es noch geben könnte, bitte gebt niemals auf, Rassismus von diesem Planeten entfernen zu wollen, für alle Menschen überall.« Die Kabarettistin Idil Baydar reagiert entschlossen auf Morddrohungen, die sie in jüngster Zeit erhalten hat, unter anderem am 15. März - dem Tag des Terroranschlags im neuseeländischen Christchurch.

Ein anonymer Verfasser, der sich »SS-Obersturmbannführer« nennt, droht sie und ihre Mutter zu erschießen. Sie solle das Land verlassen, solange sie noch kann. Baydar veröffentlichte die Nachrichten auf Facebook. Sie sei »nicht schockiert« und »auch nicht überrascht«. »Ich befasse mich auf verschiedenen Ebenen mit der Thematik Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. War mir schon klar, dass die Möglichkeit besteht, dass ich auch ins Fadenkreuz gerate«, schreibt sie. Sie fühle sich aber von Polizei und Justiz im Stich gelassen - selbst wenn ihr etwas zustoßen sollte, »würden sie wahrscheinlich nichts anderes tun als meine Oma zu beschuldigen, alle Akten schreddern und eine Verhandlung ins Nichts laufen lassen, selbst wenn sie die Täter hätten, dann die Akten für 500 Jahre verschließen«, sagt sie und kritisiert damit den Aufklärungsvorgang der NSU-Morde.

Idil Nuna Baydar, 1975 in Celle geboren, hat als Schauspielerin und Sozialpädagogin mit Jugendlichen in Berlin gearbeitet. 2011 erweckt sie ihre Kunstfiguren Jilet Ayşe und Gerda Grischke zum Leben und führt mit ihnen eine bissige Rassismusdebatte. Zuerst lässt sie die beiden - eine 18-jährige Ghettobraut aus Neukölln und eine Berliner Nazioma - nur in Youtube-Videos pöbeln, später auf bild.de. 2014 ging sie mit ihrem Kabarettprogramm »Deutschland, wir müssen reden!« auf die Bühne, 2016 folgte »Ghettolektuell«.

Von den Drohungen gegen sie nimmt Baydar vor allem eines mit: »Ich werde ab jetzt noch intensiver, schärfer, penetranter, frecher, deutlicher und intelligenter als bisher gegen Rassismus und Menschenhass in jeglicher Form, die mir möglich ist, vorgehen.«