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Rechtsextreme als Vereinsmeier

In Sachsen wird einer Studie zufolge an einer »Zivilgesellschaft von rechts« gearbeitet

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Vereine gelten nicht eben als Hort des revolutionären Geistes. Auch bei den »Heimattreuen Niederdorf e.V« oder dem Verein »Dresdner Bürger helfen Obdachlosen und Bedürftigen« geht es auf den ersten Blick nicht um gesellschaftlichen Umsturz, sondern um bodenständige Aktivitäten. Letzterer richtet in Sachsens Landeshauptstadt Weihnachtsessen für Menschen in prekären Verhältnissen aus oder betreibt eine Kleiderkammer; ersterer lädt in einem Ort im Erzgebirge zu Liederabenden, Vorträgen und sogar zur Fabrikation von Sushi.

Den »Heimattreuen« und ähnlichen Vereinen geht es aber um weit mehr als nur darum, Kultur aufs Land zu bringen, sagt Michael Nattke vom »Kulturbüro Sachsen«. Sie seien »Teil einer rechten Graswurzelbewegung« und der Versuch, in Sachsen eine »Zivilgesellschaft von rechts« zu etablieren. Es handle sich um eine relativ neue Strategie der extremen Rechten, die seit drei bis vier Jahren verstärkt beobachtet werde. Danilo Starosta vom Kulturbüro beziffert die Zahl solcher Vereine auf mindestens 30 im Freistaat.

Die extreme Rechte, sagt Nattke, verfolge auch in der Bundesrepublik erklärtermaßen das Ziel einer »rechten Revolte«. Um sie vorzubereiten, wird zunächst auf eine »geistige Revolte« hingearbeitet: Denkmuster wie die vom drohenden Verlust einer eigenen Kultur durch »Islamisierung« oder dem »Meinungsdiktat« einer angeblich herrschenden »linksgrünen Buntideologie« sollen verbreitet werden. Ein Weg dazu: die »Mobilmachung der Zivilgesellschaft gegen ihre Bedrohung durch Überfremdung«, wie der rechte Stratege Götz Kubitschek formuliert. In der von ihm herausgegebenen Zeitschrift »Sezession« wird das Ziel ausgegeben, die Rechte solle sich »die gesamte Palette zivilgesellschaftlicher Druckmittel zum eigenen Vorteil aneignen«: Bürger- und Nachbarschaftsgruppen, Petitionen, Blockaden. So soll die »Mittelebene« zwischen dem Protest auf der Straßen und der Parteipolitik besetzt und extrem rechtes Denken im Alltag verwurzelt werden.

Dank einer vom Kulturbüro Sachsen herausgegebenen Studie, die jetzt in der Publikationsreihe »Sachsen rechts unten« erschienen und auch online abrufbar ist, lässt sich exemplarisch zeigen, wie diese Strategie umgesetzt wird und dazu führt, dass Akteure der extremen Rechten »salonfähig« werden und ihr Agieren sozial stärker als bisher akzeptiert wird. Genannt wird beispielsweise der ebenfalls im Erzgebirge ansässige »Freigeist e.V.«. Er hat seine Wurzeln in den Schneeberger »Lichtelläufen« von Ende 2013, bei denen erstmals Rechtsextreme und breitere Bevölkerungskreise gemeinsam gegen die Flüchtlingspolitik protestierten. Organisator war Stefan Hartung, ein Gemeinderat der NPD. Gegenüber der Partei gibt es verbreitet Berührungsängste. Seit 2016 agiert Hartung unter dem Etikett des »Freigeist e.V.«, der zu Demonstrationen aufruft, die Vernetzung rechter Gruppen befördert, öffentliche Räume besetzt und bei der Kommunalwahl im Mai über eine freie Wählergruppe auch in die Lokalpolitik drängt. Hinter einem anderen Verein mit dem harmlos wirkenden Namen »Unsere Heimat, unsere Zukunft« steht ein früheres Mitglied der verbotenen »Nationalen Sozialisten Chemnitz«.

Verbreitet engagieren sich derlei Vereine im sozialen Bereich oder mit bürgerschaftlichem Engagement. In Mittelsachsen etwa ist eine Gruppierung namens »Jugend packt an« aktiv. Ihr Motto dürfte Anklang in breiten Bevölkerungskreisen finden - zumal es »weder parteipolitische noch ideologische Motive vordergründig deutlich« werden lasse, heißt es in der Broschüre. Damit falle »eine Distanzierung deutlich schwerer«, sagt Solveig Höppner von einem der Mobilen Beratungsteams des Kulturbüros - etwa, wenn die Initiative Spenden an Tierheime überreiche und sich in den sozialen Netzwerken mit derlei uneigennützigem Engagement brüste.

Nicht selten geben die Initiativen vor, sich um Bedürftige wie Wohnungslose zu kümmern, die von der Politik vernachlässigt würden. Eines der Motive sei es, der Linken mit der sozialen Frage »ein letztes Steckenpferd abzunehmen«, heißt es in der Broschüre. Allerdings beschränkt sich das Engagement meist auf deutsche Bedürftige, die, so der mehr oder weniger unterschwellige Vorwurf, von der Politik im Vergleich zu Migranten benachteiligt würden. Ein Motto wie »Dresdner Bürger helfen Dresdner Obdachlosen und Bedürftigen« ist damit durchaus als Ausschlussklausel zu verstehen - was freilich dem Grundgedanken sozialer Arbeit widerspricht, schreibt in einem Gastbeitrag für die Broschüre Michael Richter, Landesgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Sachsen. Dessen Mitglieder kümmerten sich um Menschen aufgrund von Benachteiligungen, »nicht aufgrund ihres Deutschseins«. Wenn in Vereinen aber »Deutsche nur Deutschen helfen«, spalte das die Gemeinschaft und »verschärft Probleme, statt sie zu lösen«. Was allerdings, so muss man unterstellen, bei der extremen Rechten durchaus gewollt ist.

https://kulturbuero-sachsen.de/sachsen-rechts-unten-2019/

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