Gemeinsam für Bildungschancen

Schulen in schwierigen sozialen Lagen sollen besser gefördert und unterstützt werden

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie können die Bildungschancen für Schülerinnen und Schüler in schwierigen Sozialräumen verbessert werden? Diese Frage stand im Zentrum eines Werkstattgesprächs der Berliner Senatsbildungsverwaltung und der Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung am Mittwoch. Unter dem Titel »Stärkung von Schulen in herausfordernden sozialen Lagen« waren zu der eintägigen Konferenz in der Hamburger Landesvertretung in Berlin-Mitte Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Bildungsverwaltung und schulischer Praxis zusammengekommen. Hintergrund der Veranstaltung der beiden Stadtstaaten war die geplante Bund-Länder-Initiative für Schulen in sozial benachteiligten Quartieren, die von den Kultusministern der Länder auf Drängen von Berlin und Hamburg noch in diesem Jahr durch die Kultusministerkonferenz KMK beschlossen werden soll.

Zum Auftakt der Veranstaltung unterstrich Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) die politische Zielsetzung, den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen stärker von der sozialen Herkunft zu entkoppeln. »Bund und Länder starten zu diesem wichtigen Thema eine gemeinsame Initiative, die auf die Stärkung der einzelnen Schulen zielt und diese Prozesse wissenschaftlich begleitet und evaluiert«, sagte die Senatorin. Insbesondere Schulen in schwierigen sozialen Milieus sähen sich mit anspruchsvollen Aufgaben konfrontiert, die nach raschen Antworten und Unterstützung durch die Politik verlangten. »Die Schulen übernehmen häufig Erziehungsaufgaben, die von den Eltern nicht ausreichend geleistet werden können«, sagte Scheeres. Das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern sei angesichts der aktuellen Herausforderungen in diesem Bereich nicht mehr zeitgemäß.

Berlin hat in den vergangenen Jahren mit verschiedenen Förderprogrammen versucht, sogenannte Brennpunktschulen und Schulen in schwierigen sozialen Lagen besser zu unterstützen. Eines dieser Projekte ist das Bonus-Programm, das Mittel etwa für die Einstellung zusätzlicher Sozialarbeiter und die Einrichtung von Elterncafés und Schülerwerkstätten bereitstellt. »Wir haben mit dem Bonus-Programm in Berlin sehr gute Erfahrungen gemacht«, sagte Scheeres.

Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) lobte die Zusammenarbeit der beiden Stadtstaaten. »Wie Berlin so unterstützt auch Hamburg seine Schulen in sozial benachteiligten Lagen mit mehr Personal, mehr Geld und zusätzlicher konzeptioneller und pädagogischer Beratung«, sagte Rabe. Der Austausch zwischen der Berliner und der Hamburger Bildungsverwaltung sei angesichts ähnlicher Herausforderungen für die multikulturellen Metropolen überaus fruchtbar. »Obwohl Schulen in sozial benachteiligten Stadtteilen schon jetzt große Herausforderungen bewältigen, gelingt es derzeit noch nicht, den Bildungsrückstand von Schülerinnen und Schülern aus bildungsfernen Familien in der Schule zu überwinden«, konstatierte der Bildungssenator. Von dem neuen Bundesprogramm erhoffe er sich neben zusätzlichem Rückenwind auch konkrete Ideen und Hinweise für die Weiterentwicklung der eingeleiteten Verbesserungsmaßnahmen.

Wie komplex die bildungspolitischen Herausforderungen sind, vor denen Schulen in benachteiligten Quartieren stehen, schilderte Kai Maaz vom Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. »Metropolen wie Hamburg und Berlin stehen vor denselben Problemen«, sagte Maaz. »Ungleichheit im Bildungssystem ist Teil der sozialen Realität.« Förderprogramme müssten gezielt die Aufstockung finanzieller und personeller Ressourcen sowie die stetige Begleitung durch die Politik in den Blick nehmen. »Entscheidend ist, dass die Bildungsverwaltungen Eltern, Schüler und Lehrer mitnehmen und sie zum Engagement anregen«, sagte Maaz. Klar sei aber auch, dass Reformen ihre Zeit bräuchten.

Wie eine gelungene Förderung im Idealfall aussehen kann, schilderte Ulrike Becker, Schulleiterin an der Refik-Vesseli-Schule in Berlin-Kreuzberg. Galt die Schule lange Zeit als unbeliebte Brennpunktschule, hat die Einrichtung ihre Situation umgekrempelt. »Im Jahr 2019 sind wir eine übernachgefragte Schule, die von der Schulaufsicht Bestnoten für ihr soziales Klima bekommt«, sagte Becker. Dank der Unterstützung durch das Land mittels verschiedener Förderprojekte konnte die Schule mehr Lehrer, Sozialarbeiter und Erzieher einstellen. Auch die Implementierung einer gymnasialen Oberstufe habe zum guten Ruf der Schule beigetragen, sagte Becker. »Ausschlaggebend war die vom Senat angeregte Gründung einer Schulentwicklungsgruppe, die aus Eltern, Lehrern und Schülern bestand und sich Gedanken darüber gemacht hat, wie der Neustart gelingen kann«, sagte die Schulleiterin.

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