nd-aktuell.de / 06.04.2019 / Berlin / Seite 27

Leser wandern zu Gartenfreunden

Am 14. April führt die nd-Tour zum »Kaulsdorfer Busch« in Berlin-Hellersdorf.

Andreas Fritsche

Als die Tochter noch klein war und die beiden Söhne noch gar nicht geboren waren, da wollten Enrico Hanft und seine Frau ein Haus kaufen. Sie besichtigten auch eins, das sie sich hätten leisten können. Aber das Grundstück war winzig. »Wo sollen wir hier einen Buddelkasten hinstellen?«, wollte Hanft von dem Immobilienmakler wissen. Er überlegte hin und her und fragte schließlich seine Frau: »Wollen wir nicht lieber eine Wohnung mieten und uns dazu einen Kleingarten pachten?« So hat es die Familie dann gemacht. Sie nahm sich eine Wohnung in einem Plattenbauhochhaus und eine Parzelle in der Kleingartenanlage »Kaulsdorfer Busch« in Berlin-Hellersdorf.

17 Jahre ist das her. Enrico Hanft hat die Entscheidung nie bereut. Heute ist er 50 Jahre alt und im »Kaulsdorfer Busch« zweiter Vorsitzender des Kleingartenvereins. Die Anlage ist am 14. April das Ziel der nd-Leserwanderung, genauer gesagt ist die Vereinsgaststätte »Daheim« das Ziel. Dort ist Platz für 120 Gäste, draußen im Biergarten bequem für 500 Gäste und mehr. Beim Sommerfest seien schon mehr als 1000 Menschen da gewesen, berichtet Gastwirt Kay Minge. Er betreibt außerdem ein Restaurant in der Neumannstraße 136 und ein Bistro an der Sportstätte Paul-Heyse-Straße. Damit verdient er sein Geld.

Die Vereinsgaststätte an der Mieltschinerstraße 52 wirft nicht viel ab. »Wenn sie nur ein kleines bisschen Plus macht oder wenigstens keinen Verlust, dann bin ich schon zufrieden«, sagt Minge. Wegen des Gewinns hat er die Gaststätte nicht übernommen, sondern »weil es hier so schön ist«. Wenn die Blumen blühen und die Vögel zwitschern, dann sei es »einfach herrlich«, schwärmt er. Und die Kleingärtner seien angenehme Menschen. Sie kommen gern auf ein Bier vorbei, aber natürlich nicht unbedingt zum Essen, weil sie sich da lieber was auf ihren Parzellen grillen. Das versteht Minge. Im Sommer hört er oft Radfahrer bremsen, wenn sie auf einer Tour den Biergarten entdecken und spontan einkehren oder sich zumindest an der Eisdiele etwas kaufen. Außerdem gibt es Stammgäste und es werden Hochzeiten, Geburtstage und Firmenfeste gefeiert.

Außerhalb der Saison fällt die Speisekarte etwas kürzer aus. Dann gibt es immer Soljanka für 4,50 Euro und zum selben Preis hausgemachtes Würzfleisch mit geröstetem Toast - übrigens die Lieblingsspeise von Enrico Hanft. Die teuersten Gerichte, Wiener Schnitzel mit Pommes Frites und Seelachsfilet auf Gurkengemüse mit Salzkartoffeln, kosten auch nur 12,90 Euro. Es schmeckt und das Personal ist sehr freundlich, serviert nicht nur Speisen und Getränke, sondern stellt auch den Hunden noch einen Napf mit Wasser hin.

Es geht hier sehr familiär zu. Dabei ist die Kleingartenanlage mit 509 Parzellen ein erstaunlich großer Komplex, allerdings gut durchorganisiert mit vier Abteilungen. In Hellersdorf ist lediglich die Kleingartenanlage an der Dahlwitzer Straße mit ihren 710 Parzellen noch größer. 19 Kleingartenkolonien sind im Bezirksverband Hellersdorf zusammengeschlossen, darunter auch zwei Minianlagen mit je zwölf Parzellen. »Seit 30 Jahren arbeiten wir sehr gut mit dem Bezirksamt zusammen«, lobt Bezirksverbandschef Norbert Franke. Nicht zuletzt deswegen sei, anders als anderswo in Berlin, keine Gartenanlage bedroht. Die Bezirkspolitiker wollen keine Gartenkolonien für Wohnungsbau oder Gewerbegebiete opfern. Für vier zum Teil große Anlagen gebe es bereits Bebauungspläne, und damit seien schon einmal 41 Prozent der Parzellen in Hellersdorf gesichert, erklärt Franke. Für vier weitere Anlagen seien solche Bebauungspläne in Vorbereitung. Damit würde die Quote auf 70 Prozent steigen. »Das ist eine komfortable Lage«, sagt Franke, der sich seit 45 Jahren im Vorstand des Hellersdorfer Kleingartenwesens engagiert. Er hat also auch schon im DDR-Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (kurz: VKSK) mitgewirkt. Nur eine einzige Anlage ist nach der Wende wegen Ansprüchen von Alteigentümern geräumt worden. Aber die Betroffenen mussten ihre Lauben nicht selbst abreißen, wie das in solchen Fällen eigentlich üblich ist, und sie haben eine finanzielle Entschädigung erhalten. Alle seien damals freiwillig gegangen, und wer wollte, habe eine Parzelle in einer anderen Gartenanlage bekommen, erinnert sich Franke.

Im »Kaulsdorfer Busch« kümmern sich die Gartenfreunde indessen nicht nur darum, dass die eigenen Kinder und Enkel mal sehen können, wie zum Beispiel Tomaten wachsen. Ein Kooperationsvertrag mit der Achard-Grundschule sei in Vorbereitung, heißt es. Die Bildungsstätte bekomme im Lehr- und Schaugarten ein Stückchen Erde, um das sich die Schüler unter Anleitung von Vereinsfreunden kümmern können, sagt der Vizevorsitzende Enrico Hanft. Schon seine Eltern hatten einen Kleingarten, und seine Tochter, inzwischen 19 Jahre alt, hat sich jetzt auch um eine Parzelle beworben.