nd-aktuell.de / 08.04.2019 / Politik / Seite 3

Partytouristen und Matratzenlager

Die Situation auf dem Wohnungsmarkt in den NRW-Städten ist sehr unterschiedlich. Nur langsam gewinnt die Mieterbewegung an Zulauf

Sebastian Weiermann

Die Altstadt von Köln am Samstagabend. Junggesellenabschied reiht sich an Junggesellinnenabschied. In Düsseldorf ist das Bild zur selben Zeit ähnlich. Die alten Zentren der Städte am Rhein sind Partymeilen geworden. Hier lebt fast niemand mehr. In den meisten Häusern gibt es Kneipen, Bars und Restaurants. Was es noch an Wohnraum gibt, ist oftmals als Airbnb-Unterkunft vermietet.

Die »Bild« veröffentlichte vor wenigen Tagen einen Artikel, in dem sich Altstadtbewohner über die Praktiken von Hotels beschwerten, die laute und anstrengende Gästegruppen in Wohnungen unterbringen. Hierbei sollen die Hotels dreist vorgehen und beispielsweise Klingelschilder wie an normalen Wohnungen anbringen, um die Nutzung zu verschleiern. Der Immobilienmarkt in Köln und Düsseldorf ist derzeit aufgeheizt, bis zu 20 Euro für den Quadratmeter werden verlangt.

Im Ruhrgebiet sind die Mieten noch nicht auf diesem Niveau angekommen. Den Ballungsraum plagen andere Probleme. In der vergangenen Woche sorgten in Gelsenkirchen und Duisburg Räumungen von Häusern für Schlagzeilen. In Gelsenkirchen wurde ein Haus wegen Einsturzgefahr geräumt, in Duisburg wurden vier Gebäude aus Brandschutzgründen geräumt. Die Bewohner sind zumeist Menschen aus Rumänien und Bulgarien. Sie leben in vielen Städten des Ruhrgebiets unter elenden Bedingungen. Eine Folge des Leerstands, der bis vor wenigen Jahren die Region prägte. Da war es ein lukratives Geschäftsmodell, ganze Häuser als Matratzenlager an Migranten aus dem Südosten Europas zu vermieten.

Heute prägen allerdings andere Phänomene den Wohnungsmarkt im Ruhrgebiet. Die Mietbelastung im Verhältnis zum Einkommen ist in Städten wie Bochum ähnlich groß wie in Köln. Tobias Scholz vom Mieterverein Dortmund sieht den Rückgang des sozialen Wohnungsbaus als eines der Hauptprobleme. »Die Städte im Ruhrgebiet haben mit einer zurückgehenden Zahl geförderter und preisgebundener Wohnungen zu kämpfen. Barrierefreie und zugleich bezahlbare Wohnungen haben Seltenheitswert. Beispielsweise in Dortmund ist der Wohnungsmarkt bei einer Leerstandsquote von 1,8 Prozent angespannt«, erklärt Scholz. Zudem seien viele Wohnungen, die einst in öffentlicher Hand waren, privatisiert worden, genauso ganze Siedlungen von Werkswohnungen. Scholz beklagt, dass diese heute oftmals in der Hand von »börsennotierten Immobilienkonzernen oder anonymen Finanzinvestoren« seien.

Bei der schwarz-gelben Landesregierung steht Mieterschutz nicht an erster Stelle. CDU und FDP sehen vielmehr den Erwerb von Wohneigentum als bestes Mittel gegen Altersarmut. Eine Option, die für viele arme Menschen allerdings gar nicht in Betracht kommt. Das Auslaufen von mehreren Mieterschutzverordnungen wurde von der Landesregierung erst nach massivem Protest von Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden gestoppt. Die Landesregierung hat nun zugesagt, sie auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Martin Krämer vom Netzwerk »Recht auf Stadt Ruhr« sieht ein Problem darin, dass in der aktuellen Landesregierung, »marktgläubige Ideologen« den Ton angeben, wenn es um Wohnungspolitik geht. Dies sei auch bei SPD und Grünen lange der Fall gewesen.

Obwohl der Mietenwahnsinn auch in Nordrhein-Westfalen angekommen ist, bleiben die Proteste bislang klein. Bei der landesweiten Demonstration am Samstag in Köln nahmen gerade einmal 1500-2000 Menschen teil. Krämer erklärt das damit, dass die Mieterbewegung in NRW noch recht jung sei. In Städten wie Köln seien erst vor kurzem Initiativen entstanden. Im Ruhrgebiet werde das Mietenproblem noch nicht richtig wahrgenommen, weil die Mieten niedrig und die oftmals ersten Protestierenden aus den Kreativmilieus sowie der Mittelschicht bisher wenig betroffen seien.

Martin Krämer hofft allerdings, dass sich das in Zukunft ändern wird. Auch in anderen Regionen seien die Mieterproteste lange schwach gewesen. Er hofft, dass die zunehmende Öffnung und Sensibilisierung von Sozialverbänden, Mietervereinen und Gewerkschaften zu einer Stärkung der Bewegung führt.