nd-aktuell.de / 11.04.2019 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 14

Ein Mauerstück als Denkmal

Bau um Erkundungsbergwerk Gorleben soll abgerissen werden, Stück als Denkmal bleiben

Reimar Paul

Die Mauer um das Gorlebener Endlagerbergwerk soll fallen, aber nicht ganz: Ein zehn Meter langes Teilstück bleibt als politisches Denkmal erhalten. Am Montag soll es an den Landkreis Lüchow-Dannenberg und die örtliche Anti-Atom-Kraft-Bürgerinitiative übergeben werden. Zu dem Akt reist eigens Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth aus Berlin an.

In den 1980er Jahren errichtet, umgibt die 2100 Meter lange und bis zu fünf Meter hohe Mauer das Bergwerk im Gorlebener Wald. Obendrauf liegt scharfkantiger NATO-Draht, auf den Eckpfeilern waren zeitweise Wasserkanonen montiert. Der Salzstock darunter wurde Jahrzehnte lang auf seine Tauglichkeit als Endlager für hochradioaktiven Atommüll untersucht.

Immer wieder rannten Atomkraftgegner gegen die Mauer an, teilweise konnten sie sie sogar überwinden: An einem Neujahrstag wurden Leitern und alte Teppiche herangeschafft, Aktivisten kletterten mithilfe des Materials über Mauer und Drahtverhau.

Häufig gab es vor dem Tor Blockaden. Feste wurden dort gefeiert, und einmal sogar eine veritable Hochzeit. Hunderte Farbbeutel zerplatzten im Lauf der Jahre auf dem Beton, Hunderte Graffiti mit Anti-Atom-Parolen sind dort verewigt.

Im Zuge des Neustarts bei der Endlagersuche wurden die Erkundungsarbeiten im Salzstock im Jahr 2013 eingestellt. Um den Konflikt zu beruhigen, sagte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) zu, die Mauer abzubauen und durch einen »industrieüblichen« Sicherheitszaun zu ersetzen. Die Arbeiten für den Abriss und die Neugestaltung der Fläche wurden inzwischen europaweit ausgeschrieben.

Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, aus deren Sicht die Mauer »sinnbildlich den bewehrten Atomstaat« verkörpert, hatte gefordert, dass eine Ecke der Mauer erhalten bleiben soll: »Als Mahnmal für eine verkorkste Atommüllpolitik und als Warnung, dass Gorleben als mögliches Endlager nicht aufgegeben wurde. Aber auch als Meilenstein für einen erfolgreichen Kampf ›David gegen Goliath‹.«

Den Wunsch, ein Mauerstück stehen zu lassen, hat die Bundesgesellschaft für Endlagerung - Nachfolgerin des BfS als Betreiber des Bergwerks - nun erfüllt. Der Hauptforderung der Atomkraftgegner ist die mit der Endlagersuche betraute Bundesgesellschaft aber nicht nachgekommen. Das Bergwerk wurde nämlich nicht zugeschüttet, sondern verbleibt im »Offenhaltungsbetrieb«: Der Erkundungsbereich ist außer Betrieb genommen und abgesperrt worden, alle nicht mehr erforderlichen Maschinen und Fahrzeuge wurden nach oben geholt. Das Bergwerk wird also schlafen gelegt, nicht aber beerdigt. Einen »Standy-by«-Betrieb, nennt das die Bürgerinitiative. Gorleben bleibe damit bei der Endlagersuche in der Favoritenrolle. Die angeblich »weiße Landkarte«, die Grundlage für die Suche sein soll, habe mit Gorleben schon einen »dicken Fleck«.

Hingegen hat der Betriebsrat des Bergwerks den Mauerabriss als »politischen Schnellschuss« kritisiert. »Wir müssen uns gegen gewalttätige Demonstranten, die immer wieder hier reingekommen sind und alles kurz und klein geschlagen haben, schützen«, hatte Betriebsratschef Peter Ward erklärt.