nd-aktuell.de / 12.04.2019 / Brandenburg / Seite 11

Spitzel belügen den Verfassungsschutz

Der CDU-Politiker Jan Redmann verblüfft mit seiner Forderung nach einer Einschränkung des V-Mann-Unwesens

Andreas Fritsche

Sporadisch tröpfelt mäßiger Beifall. Selten wird im Landtag so wenig geklatscht wie bei der Debatte am Mittwochabend über das neue Verfassungsschutzgesetz und über die Personalverstärkung beim Geheimdienst. Dabei ist die Debatte inhaltlich durchaus munter. Aber jeder Redner kann sich nur auf Applaus aus der eignen Fraktion verlassen und nicht einmal dies hundertprozentig. Das liegt daran, dass die Front hier nicht eindeutig zwischen Regierung und Opposition verläuft. Alle Parteien haben jeweils ihre eigenen Vorstellungen - und wenn sich die Koalitionsfraktionen SPD und LINKE teilweise untereinander weniger einig sind als die SPD mit der CDU und die LINKE mit den Grünen, dann gehört es zu den parlamentarischen Spielregeln, dies nicht laut kund zu tun.

Dennoch einmütig wird am Ende abgestimmt. Bei nur einer Enthaltung sind sämtliche Landtagsabgeordneten dafür, den Gesetzentwurf in den Innenausschuss zu überweisen und dort auch gleich noch über die geplante Aufstockung des Verfassungsschutzes um 37 auf 130 Stellen zu sprechen. Bei der Überweisung des Personalvorschlags gab es mehrere Enthaltungen.

»Ich freue mich auf die Diskussion«, ist ein Satz, der immer wieder geäußert wird. Einfach wird es nicht. In der Linksfraktion haben die Abgeordneten Volkmar Schöneburg, Isabelle Vandré und Carsten Preuß signalisiert, dass sie dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form nicht zustimmen würden. Außerdem möchten sich Gerrit Große und Anita Tack enthalten. Damit hätte die rot-rote Koalition keine eigene Mehrheit für das Vorhaben.

Ob er am Ende doch noch zustimme, hänge davon ab, ob es »gravierende Veränderungen« am Gesetzentwurf gebe, erklärt der Abgeordnete Schöneburg am Mittwoch. »Meine Messlatte liegt ziemlich hoch«, gibt er zu. In der gegenwärtigen Form könne er den Plänen definitiv nicht zustimmen.

Die Idee ist, eine Lehre aus dem NSU-Skandal zu ziehen und den Verfassungsschutz künftig besser zu kontrollieren. Die Abgeordnete Inka Gossmann-Retz (SPD) bildet sich auch tatsächlich ein, Geheimdienst und Transparenz seien kein Widerspruch. In der Parlamentarischen Kontrollkommission sitzen sorgfältig ausgewählte Abgeordnete, die auszugsweise informiert werden, aber Stillschweigen bewahren müssen. Gegenüber dieser Kommission müsse der Verfassungsschutz beweisen, dass er seine Befugnisse »verantwortungsbewusst« einsetzt, sagt Gossmann-Retz.

Da gehen die Probleme aber schon los. Der Geheimdienst bekommt auch zusätzliche Befugnisse, anstatt nur kürzer an die Leine genommen zu werden. Dazu gehört die Erlaubnis, bei einem Rechtsrockkonzert oder einer Hausbesetzung Mobiltelefone zu identifizieren. Dazu gehört auch die Ermächtigung, sich unter einer Legende in die Neonaziszene oder bei Linksradikalen einzuschleichen, um sie auszuhorchen. Außerdem wird den Geheimdienstlern Einblick in Konten und Kundendaten erlaubt.

Wer nach der NSU-Mordserie und dem Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz den Nachrichtendienst noch ausbauen wolle, der müsse dafür gute Gründe haben, findet die Abgeordnete Ursula Nonnemacher (Grüne). Der Verfassungsschutz sei in diesen beiden Fällen »nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems« gewesen. Die vorgesehene Regelung, dass es nicht mehr so sein darf, dass ein V-Mann seinen Lebensunterhalt komplett mit seinen Zuwendungen für Spitzeldienste bestreiten kann, geht Nonnemacher nicht weit genug. Im Klartext bedeute das doch, so sagt sie: Wer nebenbei einen Versandhandel mit Hassmusik betreibt oder rechten Schlägern Kampfsportunterricht erteilt, der dürfe als Informant herangezogen werden. »Das ist keine Glanzleistung rot-roter Politik«, urteilt Nonnemacher. Sie fragt, ob Brandenburg überhaupt einen Geheimdienst benötige, ob ein unabhängiges Forschungsinstitut die Verfassung nicht besser schützen könnte.

Das jedoch glaubt Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) ganz und gar nicht. In der Bundesrepublik seien mehr Anschläge vereitelt als verübt worden, und dies verdanke man aus- und inländischen Nachrichtendiensten. Ein unabhängiges Institut hätte dies nicht leisten können, ist Schröter überzeugt. Er versucht zu beschwichtigen. Den Verfassungsschutz der 1990er Jahre gebe es nicht mehr. Das war ein Verfassungsschutz, der es manchen Neonazis ermöglichte, als auskömmlich finanzierter V-Mann quasi hauptberuflich extremistischen Bestrebungen nachzugehen. Dies musste der NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags bei Zeugenvernehmungen und durch Aktenstudium erkennen. Schon in den Jahren 2010 bis 2013, als Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) noch Innenminister gewesen sei, habe dieser jedoch mit Dienstanweisungen für Veränderungen gesorgt, versichert Schröter.

Es überrascht nicht, dass der Abgeordnete Jan Redmann (CDU) es begrüßt, wenn der Verfassungsschutz wieder so viel Personal erhält wie unter Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), dem Hardliner. Redmann überrascht jedoch Linksfraktionschef Ralf Christoffers, weil er die V-Mann-Einsätze einschränken will. Der NSU-Ausschuss habe doch gezeigt, dass die Spitzel nicht selten unehrlich sind, dass auf sie kein Verlass sei, erinnert Redmann. Darum dürfe der Rückgriff auf einen V-Mann nur die Ultima Ratio, die letzte Möglichkeit sein. »Aber wo im Gesetz sind die Beschränkungen definiert?« Da kann Redmann nichts entdecken. Eine wirksame Innenrevision des Verfassungsschutzes fehlt ihm auch, da eine solche Innenrevision nicht außerhalb des Verfassungsschutzes angesiedelt werden solle. Zudem fordert Redmann mehr Akteneinsicht.

Linksfraktionschef Christoffers ist verblüfft. Mit so einem Vorstoß hat er von dieser Seite nicht gerechnet. Christoffers zieht sich aus der Affäre, indem er sagt, er hoffe, dass Redmanns Eifer sich auch auf die Pläne von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erstreckt. Übrigens gebe es durchaus Regelungen zum Einsatz der V-Leute, betont Christoffers. Er verweist auch auf die Whistleblower-Klausel. Dieser Klausel zufolge dürfen sich Verfassungsschutzbeamte künftig unter Umgehung des Dienstwegs vertraulich an die Parlamentarische Kontrollkommission wenden, wenn sie der Meinung sind, dass etwas im Geheimdienst nicht korrekt abläuft. Er kenne kein anderes Bundesland, »dass in dieser Systematik den Verfassungsschutz reglementiert«, unterstreicht der Linksfraktionschef. Seite 9