Ein paar Wehwehchen und dennoch glücklich

Auch mit 38 Jahren will Tischtennisstar Timo Boll eine WM-Medaille gewinnen. Die Chancen sind sogar gestiegen

  • Dietmar Kramer, Budapest
  • Lesedauer: 3 Min.

Timo Boll gönnte sich vor seinem WM-Einstieg noch einmal eine Auszeit für sein Hobby. Für seine Homepage mit Trainingstipps schnitt Deutschlands Tischtennisstar einen Beitrag selbst zusammen und lud das Video aus seinem Budapester Hotelzimmer hoch.

Aufgrund einer selten günstigen Auslosung konnte Boll die Ablenkung auch in vollen Zügen genießen: Erstmals seit acht Jahren bei großen Turnieren kreuzt in Ungarns Hauptstadt nicht ein einziger Chinese den möglichen Weg in Richtung Podest. »Ich kann mich nicht beklagen«, kommentierte der Düsseldorfer WM-Dritte von 2011 daher seine sprunghaft gestiegenen Chancen.

Als Selbstläufer sieht Boll seine zweite WM-Medaille im Einzel dennoch nicht, auch wenn auf dem Papier Japans 15 Jahre altes »Wunderkind« Tomokazu Harimoto im Viertelfinale, also dem entscheidenden Match um eine Medaille, als höchste Hürde gilt. Vielmehr arbeitete der Weltranglistenfünfte nach der Ankunft in der Donaumetropole weiter an Formproblemen: »Ich versuche, die Schwächen, die sich durch ein paar Wehwehchen an der Schulter eingeschlichen haben, auszumerzen und wieder der Alte zu werden.«

Auch Bundestrainer Jörg Roßkopf mahnt vor einer Überbewertung des Losglücks für seinen Spitzenspieler: »Natürlich ist eine Auslosung ohne Chinesen vor dem Halbfinale gut. Aber es sollen sich alle erst einmal beruhigen: Bei dieser WM können 20 Spieler eine Medaille gewinnen. Jedes Spiel muss erst mal gespielt werden.«

In Runde eins trifft Boll am Dienstag auf einen Qualifikanten. Ein erstes Gefühl für die Arena holte sich der Europameister aber schon am Montagabend im Doppel mit seinem Partner Patrick Franziska (Saarbrücken).

Die Kombination hielt Boll zumindest noch vor der Auslosung beinahe für erfolgversprechender als seine Einzelaussichten. »Beim World-Tour-Turnier im März in Katar haben wir das Finale erreicht und wie fast immer, wenn wir zusammenspielen, gut gespielt. Da sind die Chancen vielleicht sogar größer als im Einzel.«

Seinen gedämpften Erwartungen setzt der 38-Jährige seine Erfahrung entgegen. »Die Probleme gehen ja nicht mit einem Fingerschnipsen weg. Aber ich bin schon öfter in keiner guten Verfassung zu Turnieren gekommen, und am Ende sind es meine stärksten geworden. Ich versuche, mich nicht zu sehr von der Abwärtsspirale runterziehen zu lassen. Der Kopf ist auch schon wieder ganz gut in der Spur.«

Weniger Glück als Boll hatte Dimitri Owtscharow. Auf den Gewinner des Europe-Top-16-Turniers würde voraussichtlich schon im Achtelfinale ein japanischer Weltklassespieler warten. Und im Falle seines ersten WM-Viertelfinals im Match um eine Medaille bei planmäßigem Turnierverlauf Chinas Weltranglistenerster Fan Zhendong.

In den übrigen Konkurrenzen haben die Asse des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB), für die ohnehin die Europaspiele mit der ersten Olympiaqualifikation im Sommer in Minsk der erklärte Saisonhöhepunkt sind, wohl nur Möglichkeiten zu Achtungserfolgen. »Einige können weit kommen. Wir müssen uns die Chancen aber erst erarbeiten«, sagt DTTB-Sportdirektor Richard Prause.

Für eine Überraschung kommt vor allem im 2020 erstmals olympischen Mixedwettbewerb das Doppel mit Franziska und der Mixed-WM-Dritten Petrissa Solja in Betracht. Auch das Europameisterinnendoppel Nina Mittelham/Kristin Lang darf auf ein gutes Ergebnis hoffen. SID/nd

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