nd-aktuell.de / 25.04.2019 / Berlin / Seite 12

Bedingt öffentliches Grün

Planungsrechtler äußert Zweifel am Bebauungsplan Ostkreuz

Nicolas Šustr

«Etikettenschwindel», so lautet die rechtliche Einschätzung zu der Freifläche des geplanten Aquariums «Coral World» an der Rummelsburger Bucht, die im umstrittenen Bebauungsplan Ostkreuz als «öffentliche Parkanlage mit Spielplatz» festgesetzt werden soll. Die Fläche solle «als ›Wasserpark‹ Teil seines Konzepts zum Wasserhaus werden», heißt es in der Präambel des öffentlich-rechtlichen Vertrages «über die Herstellung einer öffentlichen Grünanlage», der im April 2017 zwischen dem Bezirk Lichtenberg und dem Investor, der Coral World Berlin GmbH, geschlossen wurde.

700 000 Euro müssen durch das Unternehmen in die Errichtung der kleinen Grünanlage fließen, außerdem ist es bis mindestens Ende 2037 verpflichtet, den Unterhalt zu bezahlen. Dafür gibt es auch ein Entgegenkommen des Bezirks bei der Nutzung. Die Grünanlage werde «in Teilbereichen eingezäunt und nach Anbruch der Dunkelheit geschlossen», heißt es im Vertrag. In Abstimmung mit dem Land Berlin darf der Investor «verschiedene Installationen, die das Thema ›Wasser‹ anschaulich visualisieren und erläutern» dort aufstellen. Teile der Grünanlage «dürfen in die Cafénutzung mit einbezogen werden», heißt es weiter.

«Damit wird im Grunde bekundet, dass die öffentliche Grünanlage Teil des privaten Vorhabens sein soll und sein wird», heißt es in der rechtlichen Einschätzung, die die Initiative «Rummelsburger Bucht retten» der zuständigen Lichtenberger Stadtentwicklungsstadträtin Birgit Monteiro (SPD) am Dienstag hat zukommen lassen und die «nd» vorliegt. Man könnte «für die größeren Teilflächen des Terrassenrestaurants von einer Erweiterung des Mischgebiets und für die Restflächen von einer privaten Grünfläche sprechen», heißt es in der Einschätzung, die nach Angaben der Initiative von einem Fachanwalt für Planungsrecht stammt, der auch regelmäßig für das Land Berlin tätig ist. «Eine öffentliche Zweckbestimmung im Sinne einer Gemeinwohlnutzung ist danach - wenn überhaupt - sekundär. »Im Ergebnis bedeutet dies, dass das Gewollte nicht festgesetzt ist und das Festzusetzende nicht gewollt ist«, lautet das Fazit. Damit könnte der Bebauungsplan, der diesen Donnerstag im Lichtenberger Stadtentwicklungsausschuss behandelt werden soll, rechtlich auf wackligen Füßen stehen. Auf eine entsprechende Anfrage hat die Verwaltung von Monteiro bisher nicht reagiert. Die Stadträtin hat sich langfristig krankgemeldet.

Eine Online-Petition der Initiative »Rummelsburger Bucht retten« gegen den Bebauungsplan in seiner jetzigen Form haben schon knapp 44 000 Menschen unterzeichnet, auch für einen Einwohnerantrag gegen den Beschluss des B-Plans sind über 1000 gültige Unterschriften zusammengekommen. Mit ihm wird sich der Stadtentwicklungsausschuss am Donnerstag ebenfalls befassen müssen. »Es ist für uns sehr schwierig, weil fast alle Aktivisten derzeit im Osterurlaub sind«, kritisiert Florian Hackenberger von der Initiative den Termin. Empfiehlt der Ausschuss am Donnerstag mehrheitlich die Annahme des Plans, wird bereits am Montag eine auf Antrag der CDU einberufene Sondersitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) endgültig über die Annahme beschließen können.

Von Bezirksseite wurden neben Verzögerungen von zwei bis fünf Jahren bei Änderungen des Bebauungsplans auch drohende hohe Schadenersatzzahlungen von Investoren bei einer möglichen Rückabwicklung von Verträgen als Gegenargument genannt. Im Falle von »Coral World« würden die allerdings nicht so gewaltig ausfallen können. Im Kaufvertrag, der »nd« vorliegt, heißt es nur, dass das Land Berlin verpflichtet sei »dem Käufer denjenigen Schaden gegen Nachweis zu ersetzen, den der Käufer dadurch erleidet, dass er nach erfolgter Absprache mit dem Verkäufer vorab Investitionen für Bodenuntersuchungen und/oder -sanierungen in Erfüllung und auf der Grundlage dieses oder eines öffentlich rechtlichen Vertrages tätigt«. Für das etwas über 8000 Quadratmeter große Grundstück wurde im Jahr 2016 ein Kaufpreis von knapp 4,15 Millionen Euro vereinbart.

Die Streletzki-Gruppe musste für ein knapp 1900 Quadratmeter großes Grundstück laut dem ebenfalls »nd« vorliegenden Kaufvertrag rund 2,67 Millionen Euro zahlen. Die ans Ostkreuz angrenzende Fläche ist wegen der Lärmbelastung durch den Bahnverkehr im B-Plan als Gewerbefläche ausgewiesen.

Die Initiative »Rummelsburger Bucht retten« hatte kürzlich ein Alternativkonzept für die Bebauung der Bucht vorgelegt, das nur Sozialwohnungen, den Erhalt von Biotopen sowie Flächen für soziokulturelle Projekte und Kleingewerbe vorsieht.

Die Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE) sprach sich am Montag trotz allen Widerstands dagegen aus, den B-Plan Ostkreuz »auf Null zu stellen«. »Die Rummelsburger Bucht kannte ich schon als Baustadträtin in Lichtenberg 2001«, sagte sie. Immer wieder seien die Pläne geändert worden. »Würde man die Entwicklung heute anfangen, sähe sie anders aus«, räumt Lompscher ein und sagt eine rot-rot-grüne Handschrift für die anstehende Entwicklung des Güterbahnhofs Köpenick zu. Dort sollten Genossenschaften von vornherein 20 Prozent der Grundstücke zugesagt werden. »Und zwar in einem frühen Stadium, damit die sich in die Planung einbringen können«, so die Senatorin.

Vor und während der Sonder-BVV am Montag dürfte es heiß hergehen. Auf dem linken Internetportal indymedia kursiert inzwischen ein Aufruf, ab 18 Uhr am Tagungsort an der Treskowallee zu demonstrieren und auch die Sitzung »massiv zu stören«. »In der Rummelsburger Bucht bahnt sich das an, was als die ›Stadt der Reichen‹ bereits in aller Munde ist«, heißt es im Aufruf.